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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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hinunter.
    Addie stand auf, stellte sich neben sie und stützte ihre Ellbogen aufs Fensterbrett. Es war ein unangenehm kalter und regnerischer Sommer gewesen, aber heute Abend war die Luft klar, und ein leichter Wind trug den Duft der Blumen aus dem Park herauf. «Glaubst du, es ist wahr, dass der Prince of Wales auch kommt?», fragte sie.
    «Wir brauchen nur hinunterzugehen und nachzusehen.» Bea lachte übermütig. «Sie haben ja nur gesagt, dass wir nicht mittanzen dürfen. Davon, dass wir nicht zuschauen dürfen, hat niemand was gesagt.»
    Addie war nicht wohl bei dem Vorschlag. «Aber wenn …»
    «Kein Mensch wird uns sehen.» Bea war schon auf dem Weg zur Tür. «Wenn wir uns hinter dem Geländer verstecken, merken sie gar nichts.»
    «Sind wir für so was nicht schon ein bisschen zu groß?»
    Bea zwinkerte. «Wenn wir für den Ball noch zu klein sind, können wir zum heimlichen Zuschauen hinter dem Geländer nicht zu groß sein.»
    Ihre Logik ließ für Addies Begriffe zu wünschen übrig. «Und wenn wir ertappt werden?»
    «Werden wir nicht», sagte Bea mit Überzeugung.
    Addie seufzte. «Dann lass aber wenigstens Binky hier.»
    «Warum denn? Binky will auch etwas sehen, stimmt’s Binkers?» Sie hielt die Maus in die Luft. «Schau, sie hat sich extra in ihren weißen Pelz geworfen.»
    Binky zwinkerte mitleiderregend mit den kleinen roten Augen, die schnell von einer zur anderen blickten.
    «Hör auf, sonst macht sie dir noch die Hand voll», warnte Addie. «Du weißt doch, dass sie nicht herumgeschwenkt werden mag.»
    Bea schob die Maus in die Tasche ihres Schürzenkleids. «So. Da sitzt sie erste Reihe Loge, wie die Herzoginwitwe in der Oper. Jetzt braucht sie nur noch ein Opernglas.»
    Binkys kleiner Kopf lugte über den Taschenrand. Bea hatte recht: Sie sah tatsächlich aus wie eine der ehrwürdigen adligen Damen aus Tante Veras Bekanntenkreis.
    Addie lachte. «Es ist mir noch nie aufgefallen, aber sie sieht wirklich aus wie Lady Rushworth. Genauso zittrig und nervös.»
    «Edles Blut eben», sagte Bea mit todernster Miene. «Das sieht man sofort.»
    Sie schütteten sich beide aus vor Lachen. ‹Edles Blut› gehörte zu Tante Veras Lieblingsausdrücken.
    «Vorwärts?», fragte Bea.
    Addie nickte. «Vorwärts.»
    Immer noch leise lachend schlichen sie auf Zehenspitzen in den Flur hinaus. Das hatten sie früher, als sie noch kleiner gewesen waren, oft getan, wenn Tante Vera eine ihrer Abendgesellschaften gab. Sie hatten sich auf der Galerie über der großen Eingangshalle hinter der günstig stehenden Büste des zweiten Grafen versteckt. Der Blumenduft wehte ihnen schon entgegen, bevor sie die Galerie erreichten. Tante Vera hatte Gewächshäuser in weitem Umkreis ausgeplündert und sogar aus London Blumen geordert. In das Blütenaroma mischten sich die Parfümdüfte sämtlicher Gäste, manche schwer und großzügig aufgelegt, um andere, natürliche Ausdünstungen zu verdecken.
    Die Mädchen bezogen hinter ihrem alten Freund, dem zweiten Grafen, Stellung, die eine rechts, die andere links.
    «Kannst du was sehen?», flüsterte Addie.
    «Ja. Und du?»
    Tante Vera und Onkel Charles empfingen auf der Empore in der Mitte der Doppeltreppe die Gäste. Sie wurden von Badger gemeldet, defilierten auf der einen Seite hinauf und auf der anderen wieder hinunter, wo sie dann für ihre Mühen ein Glas Champagner in die Hand gedrückt bekamen. Die beiden wirkten in der Tat sehr beeindruckend dort oben, Tante Vera in ihren Diamanten, Onkel Charles mit diversen Orden für dies und das bestückt. Die Ermüdung zeigte sich in den beinahe über Nacht ergrauten Schläfen und den neuen Fältchen zu beiden Seiten seines Mundes, doch nichts konnte ihm die kerzengerade Haltung nehmen, die Aura von Autorität, die er so selbstverständlich trug wie seinen Smoking.
    Doch die große Überraschung war Dodo.
    Dodo war verwandelt worden. Tante Vera hatte sie mit Gewalt aus ihrem schäbigen Reitdress geholt und in ein Ballkleid aus weißem Satin unter Wolken silbern schimmernden Tülls gesteckt. In ihm wirkte sie täuschend ätherisch. Man sah ihr nicht an, dass sie am liebsten den Pferdestall ausmistete. Sie sah aus, als lebte sie von Nektar und Ambrosia allein und schliefe in den weichsten Daunen. Wie alle Gillecots war sie groß und dünn; Tante Veras geschickte Schneiderin hatte es geschafft, sie nicht knochig, sondern elegant erscheinen zu lassen.
    Doch sie war natürlich immer noch Dodo. Addie hörte ihr wieherndes Lachen von der

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