Ashford Park
«Ich weiß genau, was ich tue.»
«Hoffentlich», erwiderte ihre Mutter finster. Und fügte dann, genau wie von Bea vorausgesehen, hinzu: «Du wirst schließlich nicht jünger.»
«Ach nein?», gab Bea zurück. «Die Zeit kriecht hier so langsam. Ich dachte schon, sie bewegt sich rückwärts.»
«Wenn du ihn nicht nimmst», sagte ihre Mutter streng, «schnappt ihn sich Lavinia ffoulkes.»
Lavinia ffoulkes? Die Frau, die es nicht einmal zu einem Großbuchstaben in ihrem Nachnamen gebracht hatte?
«Ich muss meine Schleppe hochstecken», sagte Bea und flüchtete. Einzig ihre Mutter besaß die Macht, sie derart aufzuwühlen, dass sie sich wie ein dummes, kleines Schulmädchen vorkam.
Lavinia ffoulkes, von wegen!
Bea stieß die Tür zur Toilette auf. Camilla und Mary waren nicht mehr da. Nur ein einziges Mädchen saß auf einem Hocker vor dem Spiegel und versuchte ziemlich erfolglos, eine nicht mehr taufrische weiße Blume in ihrem dunklen Haar zu befestigen.
«Gott sei Dank.» Bea ließ sich auf den Hocker neben ihrer Cousine fallen. «Bin ich froh, dass du’s bist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie Mutter mir eben zugesetzt hat. Einfach beschämend.»
«Worum ging’s denn?» Addie drehte sich nach ihr um, und prompt fiel ihr die Blume wieder aus den Haaren.
Bea verdrehte die Augen. «Worum wohl? Marcus natürlich. Mutter würde ihm am liebsten selbst einen Antrag machen, wenn das ginge. Sie ist wirklich zu bedauern. Was für ein Schlag für sie, dass sie mich nicht schon in der Wiege verkuppeln konnte. Warte. Lass mich mal.» Sie nahm ihrer Cousine die Blume aus der Hand und riss das geknickte Stück Stiel ab. «Dreh dich ein kleines bisschen …»
«Glaubst du, er wird dir einen Antrag machen?» Addies Stimme klang leicht gedämpft hinter Beas Arm.
Bea zuckte mit den Schultern. «Warum nicht? Einen Preis wie mich bekommt man nicht alle Tage.»
«Lavinia ffoulkes», flüsterte die Stimme ihrer Mutter. Das war Unsinn. Lavinia war mindestens so alt wie sie und quietschte beim Lachen wie eine rostige Türangel.
«So. Besser, oder?» Sie trat zur Seite, damit Addie selbst die Blume in Augenschein nehmen konnte, die jetzt fest zwischen zwei wohlgelegten Wasserwellen verankert war. Es sah gut aus, da die weiße Blume Addies dunkle Haare schön zur Geltung brachte. «Wenn du mich nur mal an deine Augenbrauen lassen würdest. Ich kenne da eine Frau, die die wahrsten Wunder vollbringt. O Gott, machst du ein Gesicht. Keine Angst, ich renne dir schon nicht mit der Pinzette hinterher.»
«Hoffentlich nicht.» Addie schnitt eine Fratze. «Außerdem weißt du ja: Ein Schwein mit Lippenstift ist noch lange keine Lady.»
«Jetzt hör aber auf!» Bea schüttelte den Kopf, liebevoll und ärgerlich zugleich, wie so oft. «In Cremetönen siehst du hinreißend aus, und wenn du dich nicht mit Rüschen vollpackst … Du könntest so erfolgreich sein, wenn du dich nur ein bisschen mehr bemühen würdest.»
Addie griff an die Blume in ihren Haaren. «Das kommt darauf an, was man unter ‹Erfolg› versteht.»
Typisch Addie, warum einfach, wenn es auch kompliziert ging? Seit dem Krieg war es schlimmer geworden mit dieser dauernden Haarspalterei. Manchmal verstand Bea ihre Cousine überhaupt nicht.
«Das, was jeder darunter versteht», sagte sie. «Hör auf an der Blume zu zupfen. Du machst meine ganze Arbeit wieder zunichte.»
Addie richtete die großen braunen Augen auf Bea. Sie hatte so wunderbar dunkle Brauen und Wimpern. Bea musste immer mit Kajal nachhelfen, um diese Wirkung zu erzielen. «Du redest von Heirat, oder?»
Bea zuckte mit den Schultern. Sie öffnete ihre Handtasche und wünschte aus tiefstem Herzen, sie hätte eine Zigarette. «Was bleibt einem denn sonst übrig? Soll ich vielleicht bei Mutter bleiben und mit ihr Wolle wickeln? Oder einen tristen kleinen Laden aufmachen?»
«Er braucht ja nicht trist zu sein.» Als Addie Beas Blick bemerkte, sagte sie: «Ja, schon gut. Ich meine ja nur, du musst doch Marcus nicht heiraten. Wenn du nicht willst. Ich weiß, dass deine Mutter dich dazu drängt …»
Bea wandte sich ab und steckte mit einer heftigen Bewegung eine Haarnadel, die herauszurutschen drohte, wieder fest. «Natürlich
muss
ich nicht.» In dem Satz schwang alles Mögliche andere mit, Getuschel und Skandal und Kinder, die zu früh nach der Hochzeit zur Welt kamen. «Weshalb sollte ich Marcus nicht heiraten wollen?»
Sie konnte praktisch zusehen, wie sich die Rädchen im Kopf ihrer Cousine
Weitere Kostenlose Bücher