Ashford Park
Zeit.»
«Vielleicht nicht gründlich genug.» Sie tat so, als wollte sie gehen. «Soll ich verschwinden, damit du noch mal suchen kannst?»
Er lachte mit einiger Verspätung. «Nicht nötig.»
Bea meinte, Addie den Kopf schütteln zu sehen.
Was schon, wenn er nicht der Hellste war? Er besaß andere Qualitäten. Er sah gut aus. Und er war einigermaßen höflich. Neulich hatte er für sie ein Glas aufgehoben, das sie umgestoßen hatte. Er hatte ihr sein Jackett umgelegt, als sie ihren Umhang verloren hatte. Ein feines Prickeln überlief sie bei der Erinnerung an diesen intimen Moment, als die männlichen Gerüche nach Eau de Cologne und Tabak sie zusammen mit seinem warmen Jackett umhüllt hatten.
Marcus schaute sich nach den Reihen in ihren Sesseln dösender Matronen um. «Wollen wir ein bisschen frische Luft schnappen?»
Bildete sie es sich ein, oder war er tatsächlich eine Spur nervös? Wenn er ihr jetzt einen Antrag machte … Ein Stadthaus in Mayfair, die Rivesdale-Saphire um ihren Hals, eine kleine Krone auf ihrem Briefpapier.
Und Marcus.
«Ja», sagte sie. Es kam ihr vor wie eine Theaterprobe. Unter ihren künstlich geschwärzten Wimpern sah sie mit einem koketten Lächeln zu ihm hinauf und probierte es noch einmal. «Ja.»
Kapitel 8
London, 1999
D as Reisebüro der Firma hatte ihr ein Zimmer in einem Hotel namens Rivesdale House gebucht.
Das Landhaushotel mitten im Herzen von London!,
hieß es marktschreierisch auf dem gerahmten Titelblatt eines Magazins, das diskret auf einer Seite des Empfangstresens platziert war. Das ovale Foyer, in das der moderne Tresen vom Stil her überhaupt nicht passte, erinnerte Clemmie mit seinen üppigen Stuckverzierungen an eine Hochzeitstorte. Auf dem weißen Marmorboden nahm sich ihr mitgenommener schwarzer Rollkoffer besonders schäbig aus. Zum Glück waren keine Spiegel in der Halle, denn Clemmie wusste, dass sie nach sieben Stunden in der Luft noch schlimmer aussah als ihr Koffer. Sie hatte immer noch das Kostüm von gestern an, mit dem Kaffeefleck auf dem rechten Ärmel, der vom Zusammenstoß eines Passagiers mit der Stewardess herrührte, als diese gerade serviert hatte.
Selbst ohne den Kaffeefleck wirkte ihr Tahari-Nadelstreifenkostüm aus Polyester peinlich billig und amerikanisch im vornehm gedämpften Ambiente dieses Hotelfoyers.
Es musste Pauls neueste Entdeckung sein. Paul war der Seniorpartner, mit dem Clemmie zusammenarbeitete. Jeder der Partner hatte seine eigenen Hotel- und Restaurantvorlieben. Manche mochten es ultramodern, während andere Hotelketten mit bekanntem Namen bevorzugten. Für Paul kam es nicht in Frage, sich unter die gemeinen Horden im Ritz zu mischen. Er sah sich gern als Entdecker des unbekannten Juwels, wobei manche dieser Juwelen weniger Glanz besaßen und bekannter waren, als Paul erwartet hätte.
Dieses hier jedoch schien Pauls hohe Ansprüche zu erfüllen. Es gab keine Musikberieselung, keine streitenden Familien mit Bauchtaschen, keinen kostenlosen Kaffee. Aus einer Wandnische über dem offenen Kamin blickte hochnäsig ein römischer Kaiser in halb über die Schulter gerutschter Toga zu Clemmie hinunter.
Toga, Toga, dachte Clemmie und kämpfte gegen einen jetlagbedingten Lachanfall. Sie hatte im Flugzeug kaum geschlafen. Sie hatte merkwürdige Träume gehabt, von brennenden Flugzeugen und Zwanziger-Jahre-Mädchen mit Bubiköpfen, blutroten Lippen und eisblauen Augen, die im Takt zum Knattern rasend schnell feuernder Gewehre tanzten. Das Gewehrgeknatter hatte sich als das Klicken der Laptop-Tastatur ihres Sitznachbarn entpuppt, der offensichtlich weit disziplinierter war als sie. Clemmie war mit steifem Nacken und einer Kerbe in der Wange aufgewacht, weil sie mit dem Kopf auf dem Ordner eingeschlafen war, den sie eigentlich hätte durchgehen sollen.
Nach zwei Tassen Kaffee, eine im Flugzeug, eine am Terminal 4 auf dem Weg zum Heathrow Express, befand sie sich in dem taumeligen Schwebezustand, den sie im Studium immer unmittelbar vor den Prüfungen hatte. Er war von völlig unmotivierten Albernheitsattacken begleitet, wahrscheinlich weil ihr Körper sich irgendwie wach halten musste.
Sie konnte nur hoffen, dass sie sich vor dem Treffen mit Paul in den Griff bekommen würde. Paul hatte als Seniorpartner der Kanzlei Anspruch auf kaiserliche Toga und Lorbeerkranz. Als Senior Associate musste sie zwar keine Gladiatorenkämpfe für ihn austragen, aber sie war doch seinem kaiserlichen Willen unterworfen.
Er König, sie
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