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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Viceroy, wie Jon ihr erläutert hatte. Die Vorstellung von Paul in einer Toga löste den nächsten Lachkrampf aus.
    Reiß. Dich. Zusammen.
    «Ja?» Der Mann am Empfang hatte müde braune Augen und eine Stimme wie Hugh Grant in
Vier Hochzeiten und ein Todesfall
.
    «Evans», sagte Clemmie brüsker als beabsichtigt. Ihre Augen tränten vor Müdigkeit. «Clementine Evans. Für mich müsste ein Zimmer reserviert sein.»
    Der Mann war wahrscheinlich amerikanische Gäste gewöhnt. Wenn er sie unfreundlich fand, so zeigte er es nicht. Er wandte sich ruhig einem überraschend modernen Computer zu, der halb hinter einer Topfpalme versteckt war.
    «Zimmer dreihundertzwei», sagte er. «Brauchen Sie Hilfe mit dem Gepäck?»
    «Nein, das schaffe ich schon», sagte Clemmie, bevor ihr einfiel, dass der englische dritte Stock der amerikanische vierte war. Es sollte sie wundern, wenn das Rivesdale House mit etwas so Profanem wie einem Aufzug ausgestattet war. Mist. Der Rollkoffer konnte ganz schön schwer sein, wenn man ihn vier Treppen hochschleppen musste.
    Es sah Paul ähnlich, dass er seine kleinen Mitarbeiter unters Dach verfrachtete, wo früher die Dienstboten gehaust hatten. Er liebte solche kleinlichen Gesten, um einen wissen zu lassen, wo man hingehörte.
    Der Mann am Empfang arbeitete schon weiter an seinem Computer. «Ihren Reisepass, bitte.»
    Sie schob ihn über den Tresen. «Ist Paul Dietrich schon angekommen?»
    Der Mann hob den Blick von ihrem Pass und musterte sie entschieden argwöhnisch. «Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?», fragte er.
    Sah sie etwa wie ein international gesuchter Killer aus? Aber John Cusack hatte in
Ein Mann

ein Mord
auch nicht so ausgesehen. Oder vielleicht hielt er sie für eine wütende Ehefrau, die ihrem untreuen Mann nachspionierte. Oder irgendetwas in der Richtung.
    «Seine Zimmernummer brauche ich gar nicht.» Clemmie nahm ihren Pass wieder an sich. «Ich möchte nur wissen, ob er angekommen ist. Ich bin hier mit ihm verabredet. Wir arbeiten zusammen.»
    Der Mann entspannte sich sichtlich. «Ach so.» Er sagte entschuldigend: «Ich habe erst vor kurzem hier angefangen, wissen Sie. Ich muss mich erst noch zurechtfinden.»
    «Kein Problem.» Clemmie lächelte, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihm nichts übelnahm. «Ich hatte nicht die leiseste Ahnung …»
    «Hatte ich auch nicht», sagte der Mann mit einem schiefen Lächeln.
    Bei näherem Hinsehen jetzt schien er ihr beinahe so müde zu sein wie sie selbst, mit bläulichen Schatten unter den freundlichen braunen Augen. Er hatte nicht nur eine Stimme wie Hugh Grant, er sah ihm auch ein bisschen ähnlich mit diesen lässig zerrauften Haaren, obwohl etwas in seinem Blick sie mehr an den vertrottelten Freund aus
Vier Hochzeiten
erinnerte, den mit dem Landsitz, der am Schluss die Frau heiratete, die angezogen war wie zum Ringelreihen.
    «Wann haben Sie denn hier angefangen?», fragte Clemmie.
    «Wir haben vor gut sechs Monaten eröffnet.» Er wies mit einer Kopfbewegung zu dem gerahmten Titelbild von
Country Life
. «Das hat ziemlich gut gewirkt.»
    «Hm», machte Clemmie.
    Er musste ungefähr in ihrem Alter sein. Vielleicht ein bisschen jünger. Sie vergaß ständig, wie alt sie eigentlich war. Sie fühlte sich immer noch wie siebenundzwanzig und gerade mit dem Jurastudium fertig, wie damals, bevor sie in ein Land ohne Wiederkehr abgestiegen war, in dem es nichts gab als Schriftsätze und Aktenwälzen. Die Zeit war vergangen, und sie war gealtert, ohne es zu merken.
    Der Mann am Empfang tippte mühsam im Zwei-Finger-System des Autodidakten auf seiner Tastatur. Er war eigentlich ganz süß, so in dieser etwas überzüchteten Art des höflichen Engländers, der auf einer teuren Privatschule erzogen worden ist.
    In einem Roman würde sie jetzt durch ein Abenteuer mit dem niedlichen Rezeptionisten ihre innere Frau wiederentdecken.
    In einem Roman wäre es die Toskana im Sommer und nicht London im Dezember, sie hätte keine Laufmasche in der Strumpfhose und nicht die Wimperntusche von gestern unter den Augen. Außerdem, waren Briten nicht angeblich schlechte Liebhaber?
    Gott, war sie müde. Clemmie unterdrückte ein Gähnen. Der letzte Koffeinschub war abgeflaut, und sie fühlte sich völlig zerschlagen. Da die erste Besprechung mittags stattfinden sollte, würde ihr noch Zeit bleiben, sich umzuziehen und vielleicht sogar eine heiße Dusche zu nehmen. Vorausgesetzt, die Sanitäranlagen hier waren nicht so antik wie das Dekor.

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