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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Als ich das Addie sagte, hat sie nur gefragt: ‹Und was willst du wirklich?› Einfach so.»
    Clemmie hielt den Blick auf das Glas in ihrer Hand gerichtet. «Typisch.»
    «Sie hat gesagt, es wäre doch blödsinnig, mich unglücklich zu machen, nur weil ich glaubte, dass alle anderen das von mir erwarteten. Sie sagte, dass Werte und Konventionen sich ständig ändern und ich mich für etwas entscheiden solle, was mich wirklich interessiert. Und jeder Job hätte über lange Sicht seine Schattenseiten, mit denen man viel besser zurechtkäme, wenn man seine Arbeit wirklich möge.»
    «Ich wollte, sie hätte mir das auch gesagt», murmelte Clemmie.
    Sie hatte nie daran gezweifelt, dass Granny Clemmies Entschluss, Jura zu studieren, bewundert hatte und stolz auf sie gewesen war. Granny hatte stets ganz offen ihren eigenen Mangel an Schulbildung bedauert und weniger offen, aber nicht weniger offensichtlich, ihre Missbilligung darüber gezeigt, dass Clemmies Mutter direkt nach der Schule geheiratet hatte. Es hatte sich von selbst verstanden, dass Clemmie die Möglichkeiten, die ihre Großmutter nie gehabt und ihre Mutter nie genutzt hatte, auch nutzen würde. Sie hatte ihren Erfolg als Erfolg der ganzen Familie betrachtet. Aber davon, dass ein Beruf einen auch glücklich machen sollte, ganz gleich, was die anderen dazu sagten oder was sie taten, war nie die Rede gewesen.
    Vielleicht deshalb, weil sie, wie Jon so gern betonte, nie gefragt hatte.
    Jon lächelte gedankenverloren vor sich hin. «Sie hat mir diesen Vortrag gehalten, du weißt schon.»
    «Den über die ‹Missernte in Kenia›?»
    «Genau.» Sie lachten beide. «‹Wenn wir uns damals hätten entmutigen lassen …› Den Rest kennst du ja.»
    Es war Grannys Version des traditionellen ‹Als ich in eurem Alter war, musste ich jeden Tag die Kühe melken und fünfzehn Meilen zur Schule marschieren›. Nur ging die Geschichte bei ihr darum, dass die Farm auf dem letzten Loch gepfiffen hatte und alle zusammen beitragen mussten, um sie wieder auf die Beine zu bringen. Sie hatten den Vortrag unzählige Male zu hören bekommen, meistens, wenn sie sich über Arbeiten beschwerten, zu denen sie keine Lust hatten. Im Wesentlichen lief es auf den weisen Spruch hinaus, ‹entscheide dich für etwas und dann bleib dabei›.
    Jon streckte die Beine aus und stellte sein Glas vorsichtig auf seinen Bauch. «Weißt du eigentlich, dass die Geschichte frei erfunden ist? Es gab 1935 überhaupt keine Kaffeefäule. Ich hab das vor ein paar Jahren mal nachgeschlagen.»
    «Sie hat wahrscheinlich nur die Ereignisse miteinander vermischt. Das kommt oft vor.» Clemmie kuschelte sich tiefer in das Sofa und zog die Beine hoch. «Ich hab’s immer mehr als eine Art Fabel gesehen. So eine Geschichte mit Moral, wie die von den zwei Mädchen, von denen die eine belohnt wird, weil sie brav den Apfelbaum schüttelt und das Brot aus dem Ofen holt, und die andere, die das alles nicht tut, damit bestraft wird, dass ihr bei jedem Wort, das sie spricht, Kröten aus dem Mund springen oder so ähnlich.»
    «Die Geschichte kenn ich gar nicht», sagte Jon. «Aber ich glaub’s dir.» Er schwenkte leicht sein Glas hin und her und beobachtete die Muster, die die bernsteinfarbene Flüssigkeit an der Innenwand des Glases hinterließ. «Wie war eigentlich dein Grandpa Frederick?»
    «Hast du ihn nicht …? Ach, das hatte ich vergessen. Du hast ihn erst kurz vor seinem Tod kennengelernt.»
    Jon lächelte schief. «Stimmt. Ich bin erst spät aufgekreuzt.»
    «Und hast dich nicht mehr abwimmeln lassen.» Clemmie hielt ihm ihr Glas hin, um sich nachschenken zu lassen.
    «Wie eine lästige Fliege.» Jon nahm die Flasche und goss ihr ein.
    «Ach, manche Fliegen können auch ganz nett sein.» Sie trank. «Ah, das ist gut. Danke.»
    Jon schenkte sich auch noch etwas ein, aber etwas weniger. «Damals hast du das, glaube ich, ein bisschen anders gesehen.» Ohne sie anzusehen, stellte er die Flasche neben das Sofa auf den Boden.
    Clemmie hatte das Gefühl, als wären ihre Lippen völlig taub vom Whisky. Nicht nur ihre Lippen, alles an ihr. Sie blickte in ihr Glas. «Ich war eifersüchtig.»
    Jon verschluckte sich an seinem Scotch. «Du warst eifersüchtig? Auf mich? Warum? Es war doch deine Familie. Ich hätte alles darum gegeben dazuzugehören.»
    «Ja, aber …» Clemmie setzte sich wegen eines störenden Wulstes im Polster anders hin. «Ich war nur eine Verpflichtung. Um mich mussten sie sich kümmern. Du warst da,

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