Ashford Park
sind.»
«Gefühle vielleicht nicht, aber du könntest mir wenigstens etwas Respekt entgegenbringen. Wie kommst du dazu, mich mit einem Brief abzuspeisen? Ist die Last deiner täglichen Verpflichtungen so groß?»
Eine neue Welle der Übelkeit überschwemmte Bea. Sie klammerte sich mit beiden Händen an den Barwagen. Morgendliche Übelkeit? Eher morgens, mittags und abends und bei jedem Anlass. Beim Anblick eines Tellers mit Eiern und Schinken drehte sich ihr der Magen um. Beim Geruch von Gin bekam sie Brechreiz. Und niemand hatte sie davor gewarnt, dass Schwangerschaft einen so reizbar machte.
«Verpflichtungen?» Bea lachte beinahe hysterisch. «Weißt du es denn noch nicht, mein Schatz? Ich trage gerade die Last der größten Verpflichtung überhaupt.»
Fredericks Gesicht drückte Verständnislosigkeit aus.
«Ich erwarte ein Kind.» Ihr Lachen klang brüchig. «Genau das, worauf alle gewartet haben. Ein Erbe für das Haus Rivesdale.»
Frederick sagte nichts. Er starrte sie nur an, als wollte er sie von innen nach außen wenden. Bea drückte instinktiv die Hände auf ihren Bauch, der noch flach war, der nichts verriet, wären nur die anderen Anzeichen nicht gewesen. Dieser höhnische Blick ihres Mädchens. Und Marcus? Wie sollte sie es Marcus sagen?
Sie musste ihn überzeugen. Es würde ihr schon gelingen. Die vielen Nächte, in denen er betrunken nach Hause kam, so gut wie besinnungslos – er würde sich niemals erinnern, dass sie gar nicht zusammen gewesen waren, wenn sie ihm das Gegenteil schwor. Er würde viel zu stolz auf den kommenden Erben sein, um an ihrem Wort zu zweifeln, zumal angesichts der vielen Glückwünsche, von seinen Freunden, von seiner Mutter, von ihrer Mutter. Er würde Bunny aufgeben müssen. Alles würde wieder so werden, wie es gewesen war, wie es zu sein hatte.
Das Schweigen dröhnte schmerzhaft in ihren Ohren. Es war nicht zu ertragen.
«Und?», sagte sie herausfordernd. «Willst du mir nicht gratulieren.»
Seine Stimme war leise, als er antwortete, aber nicht so leise, dass sie die Worte nicht verstand, die sie am wenigsten hören wollte.
«Ist es von mir?»
Kapitel 15
London, 1921
D u bist widerwärtig», sagte Bea kalt.
Addie hörte sie kaum. Wichtig waren einzig Fredericks Worte.
Ist es von mir?
Dass er das fragte … Dass er das fragen
konnte
… Addie war heruntergekommen, um ihre Phenacetin-Tabletten zu holen. Sie hatte die Flasche letzte Woche Bea gegeben, und Bea hatte sie auf den Barwagen gestellt, nachdem sie eine der Tabletten mit einem steifen Whisky Soda hinuntergespült hatte. Kopfschmerzen, hatte sie gesagt. Bea hatte nie Kopfschmerzen. Aber Bea war schon die ganzen letzten Wochen nicht sie selbst gewesen. Sie war blass und angespannt, schnell gereizt und müde. Addie hatte sie besorgt beobachtet. Influenza war es nicht. Die Anzeichen dieser Krankheit kannte Addie nur zu genau.
Bloß Kopfschmerzen, weiter nichts,
hatte Bea ungeduldig erklärt.
Das Getue ist völlig unnötig
. Krankheit, ob sie sie selbst betraf oder andere, machte Bea immer ungeduldig. Sie war, wie sie es gern formulierte, gesund wie ein Fisch im Wasser. Das eine Mal, als sie krank gewesen war, hatte Nanny gedroht, sie im Bett festzubinden. Addie fragte sich allmählich, ob sie tatsächlich zu diesem Mittel würde greifen müssen, Bea im Bett festbinden und einen Arzt rufen, um sicherzugehen, dass ihr nicht etwas Ernstes fehlte.
Niemals wäre Addie auf so etwas gekommen. Als sie Fredericks Stimme hörte, glaubte sie, er wollte vielleicht zu ihr. Sie hatte ihn so unendlich lange nicht gesehen, seit jenem furchtbaren Dezemberabend in dem furchtbaren Nachtklub nicht mehr. Es hatte keine gemeinsamen Konzerte, Vorträge, Têtes-à-Têtes bei Tee mehr gegeben. Er war aus ihrem Leben verschwunden, als wäre er nie gewesen.
Ab und zu war sie in den Zeitungen auf Schnappschüsse von ihm gestoßen. Niemals hätte sie es vor irgendjemand bei der
Review
zugegeben, doch sie las den
Tatler
, blätterte mit schlechtem Gewissen von Seite zu Seite und suchte nach bekannten Gesichtern, von jungen Frauen aus ihrem Debütjahr, von Männern, mit denen sie damals nicht getanzt hatte, die von dem Blitz nun unvorteilhaft beleuchtet wurden. Und auf einem Foto von Bea hatte sie Frederick entdeckt, im Schatten hinter ihr, beim Besuch eines dieser grässlichen Nachtklubs. Addie hatte Bea vorsichtig danach gefragt, und Bea hatte mit einem Schulterzucken gesagt, er sei hin und wieder mit der alten Clique
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