Ashton, der Heißbluetige
dann stieß sie sich von der Frisierkommode ab. „Danke.“
„Was glaubt Ihr, warum das so ist?“ erkundigte sich Fia mit seidenglatter Stimme. „Glaubt Ihr, Ihr wart in Fair Badden gar nicht so glücklich, wie Ihr behauptetet? Oder vielleicht hattet Ihr Euer Herz doch nicht so sehr daran gehängt, wie Ihr meintet?“
Diese kleine Hexe, dachte Rhiannon mit einem scharfen Blick zu dem jungen Mädchen. Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, als sie bemerkte, dass ihr Blick Fia aus der Fassung gebracht hatte - so gut man das konnte. Das war das Problem mit Fia: Unschuld und Wissen um die Abgründe des menschlichen Charakters, das weit über ihre Jahre hinausging, waren untrennbar in ihrem Wesen verwoben.
Die meiste Zeit konnte sich Rhiannon nicht darüber klar werden, ob Fias Fragen absichtlich provozierend und beißend waren oder erstaunlich unschuldig und ehrlich. Und vielleicht ärgerte sie sich auch einfach nur deswegen über Fia, weil sie in gewisser Weise Recht hatte.
„Lady Fia, ich bezweifle nicht, dass ich Mrs. Fraiser aufrichtig zugetan war. Jeden Tag denke ich an sie und vermisse sie sehr und hoffe, sie macht sich meinetwegen nicht allzu viele Sorgen.“ Fia musterte sie eindringlich, die Augenbrauen in ungewohnter Konzentration zusammengezogen.
„Aber vielleicht“, fuhr Rhiannon fort, „nimmt Fair Badden doch nicht einen so großen Platz in meinem Herzen ein, wie ich dachte. Vielleicht bedeutet kein Ort mehr, als Gewohnheit und Erinnerung aus ihm machen.“
Das Mädchen hielt Rhiannons Blick einen langen Augenblick, dann nickte es knapp. „Ihr solltet Eurer Mrs. Fraiser einen Brief schreiben.“
„Das könnte ich?“ fragte Rhiannon überrascht. „Natürlich“, erwiderte Fia kühl. „Wir sind hier nicht in Bedlam, Miss Russell, sondern nur auf einer Burg. Wir haben Diener, die Aufgaben wie diese für uns erledigen. Schreibt ihr einen Brief - sie kann doch lesen? Gut. Ich werde Eure Nachricht dann überbringen lassen.“
Durch Fias lässige Großzügigkeit in Verlegenheit gebracht, erhob sich Rhiannon rasch und lächelte zögernd. „Danke . . . das werde ich tun. Eure Freundlichkeit..."
„Ihr solltet Euch von Gunna wirklich eine Perücke zurechtmachen lassen. Bei Eurer Augenfarbe würde ein blasses Silber Unglaubliches bewirken. “ Rhiannon unterdrückte ein Lächeln. Fia schien von ihrem Angebot ebenso durcheinander wie sie selbst und versuchte nun, ihr Unbehagen zu überspielen. Das wenigste, was Rhiannon tun konnte, war, ihr zu helfen.
„Ich verabscheue Perücken“, sagte sie. „Nissen.“
„Ich habe keine Läuse“, rief Fia empört.
Rhiannon hob die Augenbrauen. „Natürlich nicht.“
Fia runzelte die Stirn. „Wir sollten jetzt gehen. Seid Ihr fertig? Wollt Ihr auch keinen Puder? Kein Schönheitspflästerchen?“
„Nein.“ Rhiannon eilte an dem Mädchen vorbei durch die Tür und musste lächeln, als sie hinter sich hörte, wie die zierliche Fia ihre Schritte beschleunigte, um sie einzuholen.
„Carr wird Euer Kleid nicht mögen“, warnte sie atemlos, als sie an Rhiannons Seite angekommen war. Sie musterte das schlichte Kleid, während sie die Treppe hinabstiegen. „Es ist zu jeune fille, zu jungmädchenhaft.“
Rhiannon lag nichts an Carrs zynischer Billigung. Ash Merrick und Fias Neugier wegen ihrer Familie in Fair Badden beschäftigten ihre Gedanken. „Ihr habt doch noch einen Bruder, oder?“
„Ja. Raine. Er ist ein paar Jahre jünger als Ash.“
„Ich glaube nicht, dass ich ihn kennen gelernt habe.“
„Nun, meine Liebe, das könnt Ihr auch schlecht, es sei denn, Ihr treibt Euch in französischen Gefängnissen herum“, entgegnete Fia selbstzufrieden.
Rhiannon blieb stehen. „Gefängnissen?“
Fia seufzte und blieb ebenfalls stehen. „Ja. Ich dachte, Ihr wüsstet es. Ich dachte, alle wüssten es. Ash war auch im Gefängnis. Bis Carr ihn vor fast einem Jahr freigekauft hat.“ Gefängnisketten. Die Narben an seinen Handgelenken stammten von Handschellen. „Was . . . Aber warum . . .“ „Ts, ts“, machte Fia leise. „Carr duldet Stottern nicht.“ „Warum saßen Eure Brüder in Frankreich im Gefängnis?“ Fia zuckte in anmutiger Unbekümmertheit die Schultern. „Meine Mutter war eine Schottin, wisst Ihr. Sie war eine treue kleine Jakobitin, erzählte man mir. Sie versuchte Carr in ihr Drama zu verstricken. Er ließ sie in dem Glauben, es wäre ihr gelungen.“
Merkt sie denn gar nicht, dass sie das ebenfalls zur Schottin macht, wunderte sich
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