Ashton, der Heißbluetige
Rhiannon.
„Ihre Verwandten haben sich dann tatsächlich während des Aufstandes fünfundvierzig als nützlich erwiesen. Carr versorgte den Herzog von Cumberland mit Informationen, an die er über sie gelangt war. Im Gegenzug erhielt Carr diese Insel samt Wanton’s Blush.“
Rhiannon hörte den Rest kaum. Cumberland. Der Schlächter von Culloden. Der Boden unter ihren Füßen wankte. Sie schaute auf, und ihr schwindelte. Fia blickte sie verwundert an.
„Fahrt fort“, sagte Rhiannon schwach.
„Nach Culloden entdeckten die überlebenden Verwandten meiner Mutter Carrs wahre Loyalität.“
Seinen Verrat, dachte Rhiannon.
„Sie planten einen Hinterhalt für ihn, um ihn umzubringen. Nur dass ihnen an seiner Stelle meine Brüder in die Hände fielen.“ Fia zuckte abschätzig mit ihren kindlich schmalen Schultern. „Doch sie wussten nicht, was sie mit Carrs Söhnen anfangen sollten. Zum vermutlich ersten und einzigen Mal in ihrem Leben hatten meine Brüder Grund, für ihr schottisches Blut dankbar zu sein.
So wertlos, ja schädlich sich meine Mutter auch für ihre Verwandten erwiesen hatte, so fühlten sie sich ihr dennoch verbunden. Der Gedanke, ihre Söhne zu töten, gefiel ihnen nicht. Darum übergaben sie sie ihren französischen Verbündeten als Geiseln, in dem Versuch, Carr wenn schon nicht in Wahrheit, dann doch wenigstens finanziell das Rückgrat zu brechen. Schon kurz nach ihrer Gefangennahme fanden sich Ash und Raine in einem französischen Kerker wieder. Die Verschwörer wurden übrigens kurz darauf entdeckt und hingerichtet.“
„Warum ist Raine dann immer noch im Gefängnis?“ fragte Rhiannon verwundert. „Eure Kleider, all die Juwelen, das viele Essen, dieses Schloss . . . Carr kann es sich doch gewiss leisten, sein Lösegeld zu bezahlen, oder?“
„Er hat es gar nicht erst versucht.“ Fia reckte ihr elegant geformtes Kinn. „Bei solchen Sachen nachzugeben würde nur dazu führen, dass sich Nachahmer über Gebühr ermutigt fühlten. Er hat es mir erklärt.“
Lieber Gott, dachte Rhiannon benommen, in was für ein Schlangennest bin ich hier nur geraten? Ein Vater, der, auch lange Zeit nachdem die Zwistigkeiten, die zur Gefangenschaft seiner Söhne geführt hatten, beigelegt waren, sie nicht auslöste? Ein kaltherziges, gefühlloses Mädchen, das ein so unehrenhaftes, treuloses Verhalten auch noch unterstützte? „Aber Ash ist frei“, sagte Rhiannon.
„Ja . . .“ Fia runzelte verunsichert die Stirn. „Carr hat Ash freigekauft. Und ich muss zugeben, das hat er mir nie erklärt . . .“ Sie schaute zu Rhiannon, und ihre Stirn glättete sich wieder. „Nicht, dass es wichtig wäre. Ich bin überzeugt, Carr hatte gute Gründe. Es ist unabdingbar, jede Lage so einzuschätzen, wie sie ist, ohne sich durch Gefühlsduselei in seinem Urteil beirren zu lassen.“
„Ist es denn das, was Vaterliebe ist? Gefühlsduselei, die einen daran hindert, ein sachliches Urteil zu finden?“
„Ihr versteht nicht.“
„Vermisst Ihr Euren Bruder nicht?“
Farbe stieg Fia unter der Puderschicht ins Gesicht. „Ich kenne ihn kaum. Ich kenne keinen meiner beiden Brüder gut. Carr sagte, sie wären als Kinder zu lange dem Einfluss meiner Mutter ausgesetzt gewesen und dass es sie unwiderruflich geprägt habe. Er sagte, sie wären keine passende Gesellschaft für mich. Außerdem haben sich Ash und Raine nie um mich gekümmert.“ Ein Anflug von Bitterkeit schwang in ihrer sonst so einnehmenden Stimme mit.
„Aber trotzdem sind sie doch Eure Brüder“, beharrte Rhiannon. „Fragt Ihr Euch nicht, wie es Raine geht? Ob er
leidet? Ob er auf seine Freilassung hofft und ihn das Wissen doppelt schmerzt, dass sein Vater sich weigert, für seine Freiheit zu zahlen . . . und vielleicht sogar sein Leben?“
„Ich frage mich das überhaupt nicht. Wozu sollte es auch gut sein?“ Fia verlangsamte ihre Schritte, als wolle sie zurückfallen. „Ihr seid so gefühlsbetont. Ein unglücklicher Wesenszug, der, wie Carr sagt, unter den Schotten aus den Highlands weit verbreitet ist.
Außerdem wird sich Ash darum kümmern, dass Raine schließlich doch freikommt. Warum, glaubt Ihr, hat er zugestimmt, seine Zeit darauf zu verschwenden, Euch herzubringen?“
Rhiannon konnte nicht antworten. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf wild durcheinander.
„Geld. Mit dem er Raines Lösegeld bezahlen kann“, erwiderte Fia geringschätzig.
Rhiannon starrte sie an, ohne etwas zu sehen. „Seid Ihr sicher?“
Fia hob ihre Schultern
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