Ashton, der Heißbluetige
anderen. „Die Maienkönigin“, erklärte Susan in resigniertem Ton. „Zum dritten Jahr in Folge. Es ist einfach nicht gerecht.“ „Das mag schon stimmen“, warf Edith ein. „Es ist auch kein Ende abzusehen, bis das Mädchen nicht verheiratet ist und damit nicht mehr in Frage kommt. Nur Jungfrauen dürfen am Maifeiertag herrschen, wisst Ihr.“
„Nein“, sagte Ash. „Das wusste ich nicht.“
„Keine Sorge, Miss Chapham“, meldete sich Phillip zu Wort. „Ich kann Euch versprechen, dass Rhiannon nächstes Jahr ganz bestimmt nicht mehr in Frage kommt. Oder nächsten Monat, was das betrifft.“
Die Art und Weise, wie er nicht sie, sondern ihrer beider Freunde ansah, gerade so, als spräche er mehr zu ihnen als zu ihr, weckte Rhiannons Unbehagen.
„Was hältst du davon, Rhiannon, wenn wir früher heiraten und den anderen Schönheiten hier eine Chance auf die Krone einräumen?“ schlug er lächelnd vor.
Das fröhliche Geplauder verstummte, und alle warteten gebannt auf ihre Antwort. Die geplante Heirat zwischen Phillip Watt und Rhiannon Russell war die aufsehenerregendste
- und in den Augen einiger die närrischste - Romanze in Fair Baddens ganzer Geschichte. Phillips Vater hatte, weil er überaus wohlhabend - und manche sagten überaus vernarrt in seinen jüngsten Sohn - war, der Heirat nicht nur zugestimmt, sondern ihm auch genügend Geld versprochen, so dass er sich nicht die Braut nehmen musste, die er brauchte, sondern die, die er wollte. Und diese Frau war Rhiannon, die, obwohl sie hübsch und liebenswert war, keinen angesehenen Namen, keine einflussreiche Familie und keine Mitgift besaß.
Sie konnte es sich nicht leisten, sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, die Verbindung so früh wie möglich einzugehen, bevor Phillip oder sein Vater zu Sinnen kamen. Alle sahen sie erwartungsvoll an, überzeugt, zu hören, wie sie geschmeichelt und eilends auf seinen Vorschlag einging. „Nein“, sagte Rhiannon.
„Nein?“ wiederholte Phillip ungläubig.
Manchem blieb der Mund offen stehen. Nur wenige hatten je dieses Wort aus Rhiannons Mund vernommen und niemals so unverblümt.
Ihr wurde unbehaglich zu Mute, und ihre ineinander verschlungenen Hände verrieten die Besorgnis, die ihrem unbeschwerten Ton nicht anzuhören war. „Ich . . . ich bekenne mich willig, wenn auch beschämt zu meiner Habgier. Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gibt, dass ich wieder das Glück haben könnte, Maienkönigin zu werden, dann will ich sie mir nicht entgehen lassen. “
„Aber du wärest doch die Königin meines Herzens“, entgegnete Phillip. „Ist dir mein Herz nicht Königreich genug?“ Hübsche Worte. Eine reizende Bekundung. Aber Phillip kehrte ihr noch immer den Rücken zu, und seine Arme hatte er ihren Freunden entgegengestreckt, so als ob er sich an jene
wandte und nicht an sie. Einige nickten zustimmend. Wenn er sie bei seinen Worten doch nur angesehen hätte . . .
Ash Merrick sah sie an.
Von allen Anwesenden war er der Einzige, der sie ansah. Und er musterte sie eindringlich.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Seine Betrachtung war mehr als eine Bestandsaufnahme ihrer körperlichen Vorzüge. Er maß sie mit seinem Blick, wog ihre Antwort und studierte sie, als ob er sich ganz auf sie konzentrierte. Noch nie hatte sie so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eines anderen gestanden. Noch nicht einmal in Phillips.
Phillip blickte sie über seine Schulter an, ihre Antwort erwartend. Sie sollte Ja sagen. Sie sollte dankbar sein. Sie war dankbar. Phillip hätte sich seine Braut aus einer vornehmen Familie wählen können, eine reiche Erbin vielleicht oder sogar noch besser, aber er hatte sie gewählt. Er verkörperte alles, was sie sich immer gewünscht hatte. Sie würde Phillip heiraten und den Rest ihres Lebens glücklich und zufrieden in Fair Badden verbringen.
Aber noch nicht jetzt. Nicht so bald.
„Ich habe meine Habgier ja schon eingestanden“, sagte sie und zwang ein strahlendes Lächeln auf ihre Lippen. „Ich kann einfach nicht anders, aber ich möchte beide Kronen.“
Phillip blinzelte erstaunt. Genau genommen schienen alle Anwesenden verblüfft.
„Wenn es dir recht ist, Phillip?“ fügte sie schwach hinzu und wurde sich plötzlich schmerzlich gewahr, was sie mit ihrem schlecht beratenen Scherz aufs Spiel gesetzt hatte. Denn mehr war es nicht als . . . ein Scherz. Natürlich würde sie Phillip heiraten. Morgen, wenn er darauf bestünde. Aber tief in ihr bat eine halb erstickte Stimme
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