Ashton, der Heißbluetige
überzeugen, würde sie sich immer noch weigern, ihm zu glauben. Wie kann ich, der ich so wenig Erfahrung mit Ehrlichkeit besitze, fragte er sich, während er ihr Profil studierte, es nicht fertig bringen, den Urteilsspruch von jemandem hinzunehmen, dem Ehrlichkeit alles bedeutet?
Er würde jetzt endgültig alle Versuche einstellen, sich zu ändern. Er war so verderbt und schlecht, wie sie es glaubte. „Sie wird nicht mit Euch sprechen, Donne.“
„Jetzt vielleicht noch nicht“, bemerkte Donne nachdenklich. „Aber gewiss werden wir doch, da wir beide die einzigen Schotten in einem Haus voller Engländer sind, in der Gesellschaft des anderen ein ganz klein bisschen Trost finden, nicht wahr, Miss Russell?“ Sein Angebot überraschte Ash.
Donnes Akzent, den er ganz nach Belieben annehmen und wieder ablegen konnte, war ausgeprägter geworden. Der melodische Singsang brachte ihm einen weiteren von Rhiannons missmutigen Blicken ein, und dieses Mal konnte man im Licht der unzähligen Kerzen ihre völlige Erschöpfung erkennen, die blasse Haut um ihre Lippen, die Schatten unter ihren Augen. Nur noch mit Mühe hielt sie sich auf den Beinen.
Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch. Er musste sie von hier fortbringen. Irgendwohin, wo sie sich waschen und dann schlafen legen konnte.
„Jetzt noch nicht?“ sagte Donne, und Ash konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal mit so sanfter Stimme sprechen gehört zu haben. „Ich kann warten.“
„Ich fürchte, Ihr wartet vergebens“, warf Fia ein. „Vielleicht ist die Lady bei der Auswahl ihrer Gesellschaft wählerisch und beweist dabei guten Geschmack. Es bliebe nur noch zu wünschen, dass sich Letzteres auch auf ihre Erscheinung erstrecken würde.“
Die spöttische Bemerkung über den Zustand ihrer Kleidung weckte Rhiannon aus ihrer Reglosigkeit, und sie strich sich mit einer unsicheren Bewegung hastig über ihre schweren, schlammbespritzten Röcke.
„Es sieht aus, als hätte Ash Euch direkt von einer besonders hitzigen Jagd hierher gezerrt.“
„Das hat er auch.“ Das waren die ersten Worte, die Rhiannon sagte. Ihr müder Blick richtete sich auf Fia und durchbohrte sie, so dass diese unwillkürlich trotz ihres Aufwachsens hier, das sie den tödlichsten Blicken gegenüber unempfindlich hätte machen müssen, einen Schritt zurückwich.
Fia sah sich um, verunsichert von so unverhohlener Feindseligkeit. „Lasst mich einen Diener nach Euren Truhen schicken.“
„Es gibt keine Truhen“, erklärte Ash. „Sie hat kein Gepäck.“
„Das wird ja immer merkwürdiger“, erwiderte Fia. „Wozu ist sie hier?“
„Das ist doch ganz einfach“, bemerkte Donne glatt, ohne Fia anzusehen und stattdessen Rhiannon musternd. „Carr liebt Euch derart abgöttisch, Lady Fia, dass er Euch eine Schwester hat bringen lassen, mit der Ihr Eure Mädchengeheimnisse teilen könnt.“
Die Vorstellung von Fia, die zwar vielleicht nach Jahren gesehen noch ein Mädchen war, jedoch in keiner Weise kindlich, war völlig lachhaft, und Donne wusste das gut. Aber Fia weigerte sich, den Köder zu schlucken. Sie betrachtete den hoch gewachsenen Schotten aus kühlen, samtenen Augen. „Das ist auch nur recht und billig“, verkündete sie, „wenn man bedenkt, dass er einen meiner Brüder verlegt zu haben scheint, wenn er mir jetzt dafür als Ausgleich eine Schwester besorgt.“
Die Erinnerung an Raines derzeitigen Aufenthaltsort traf Ash wie ein Schlag ins Gesicht. Mit Mühe gelang es ihm, seine ausdruckslose Miene beizubehalten, während er sich fragte, ob Fia ihre Worte gewählt hatte, um ihn zu treffen oder Donne zurechtzuweisen. Das war bei Fia unmöglich zu sagen. Sie hielt sich so völlig bedeckt.
„Trotzdem, neue Schwester hin oder her, Carr verabscheut Hässlichkeit. Er wird entsetzt sein, wenn sie ihm in diesem Aufzug unter die Augen kommt“, fuhr Fia fort. „Es sieht so aus, als hätten wir ungefähr die gleiche Größe, so dass ich ihr ein Kleid von mir leihen könnte. Wenn sie Carr treffen soll, dann kann sie alles Selbstvertrauen gebrauchen, das sie bekommen kann - oder borgen.“
Ash hatte daran gar nicht gedacht. Fia hatte Recht. Der
äußere Anschein war von größter Wichtigkeit für Carr. Seine Billigung zu erlangen mochte sich als kluger Schachzug erweisen. Die Frage war nur, was sich Fia davon erhoffte, dass sie ihre Hilfe anbot.
Ihr Gesicht war so ernsthaft wie das einer Madonna, ihre Augen glichen dunklen, unergründlichen Brunnen. Nach einem kurzen Augenblick
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