Asmoduin: Die Nervensäge kehrt zurück (German Edition)
Ahnung, wohin die Gänge führten. Ich fand allerdings, dass keiner von ihnen sonderlich vertrauenserweckend aussah.
Halbherzig betätigte ich einen Lichtschalter, worauf an der Decke mehrere altersschwache Neonröhren zu flackerndem Leben erwachten. Sofort begann ich, mich umzusehen, doch ich ahnte bereits, dass wir mit einer weiteren Spur wie dem abgerissenen Schlüsselanhänger kaum rechnen durften.
»
Da
lang geht’s zu den Putzmitteln«, erklärte Asmoduin und deutete den linken Korridor entlang.
Ich nickte. Das Materiallager der Putzfrauen.
»
Dort
hab ich gestern dosenweise Bohnen verdrückt.«
Mittlerer Gang: Hausmeister Breckers Vorratsräume.
Nahezu gleichzeitig wandten wir uns dem letzten Flur zu. Er führte nach rechts, war schmaler als die anderen und hatte als Einziger eine halbrunde, ebenfalls gemauerte Decke. Der Lichtschalter neben der Gangmündung aktivierte eine Reihe trüber, in die Decke eingelassener Glühbirnen.
»Ich vermute, dieser Tunnel führt in den unsanierten Teil des Kellers«, murmelte ich halblaut. Als ich Asmoduins fragenden Blick spürte, fügte ich hinzu: »Die Schule ist schon ziemlich alt. In den letzten Jahrzehnten wurde sie nach und nach erneuert. Eine Putzfrau hat mir aber erzählt, dass es hier unten etliche Räume geben soll, die noch im selben Zustand sind wie vor hundert und mehr Jahren. Angeblich werden sie als Lagerräume genutzt, aber genau wusste sie das nicht.«
»Klingt genau wie die Gegend, in die sich ein Ekel wie Belchior zurückziehen würde, wenn er ungestört sein will«, stellte Asmoduin fest. »Er hat einen Riecher für abgelegene Ecken. Vor ein paar Jahren hat er zwei Schüler aus meiner Parallelklasse, die Witze über ihn gemacht hatten, in einem Übungsverlies der Schule an den Füßen aufgehängt. Er wählte zielsicher das Verlies aus, das am seltensten genutzt wurde. Die armen Schweine hingen volle drei Tage in der Gegend rum.«
Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, während ich angespannt dem altertümlichen Tunnel folgte. Die Abstände von einer Glühbirne zur nächsten waren so groß, dass dazwischen immer wieder Bereiche nachtschwarzer Dunkelheit lagen. Ich musste meine ganze Konzentration aufbieten, um nicht gegen eine der eingestaubten alten Kisten zu laufen, die sich hier und dort an die Wände drängten und im Zwielicht kaum zu erkennen waren.
Geisterhaft hallten unsere Schritte in dem langen Gang wider. Ab und zu kamen Türöffnungen in Sicht, verriegelt mit schweren Gittern. Ob sich dahinter Lagerräume oder weitere Gänge befanden, ließ sich nicht ausmachen, aber diverse unversehrte Vorhängeschlösser bewiesen, dass Belchior keinen dieser Wege eingeschlagen haben konnte.
Schließlich verbreiterte sich der Tunnel, und wir traten auf eine dämmrig beleuchtete Fläche hinaus. Ich tastete an der feuchten Mauer entlang und fand einen museumsreifen Drehlichtschalter. Als ich ihn betätigte, zersprang mit lautem Knall direkt über meinem Kopf eine Glühbirne. Mir blieb vor Schreck beinahe das Herz stehen. Glasscherben regneten auf meine Haare herab.
Eine zweite Leuchte tauchte einen kleinen runden Raum in gräuliches Licht. Im Grunde handelte es sich um nicht mehr als eine Kreuzung, auf der vier identisch aussehende Gänge zusammentrafen. Während ich noch ratlos den Blick schweifen ließ, fiel mir ein Glitzern ins Auge. Es kam vom Boden vor der Mündung des linken Tunnels, einem finster gähnenden Halbrund, das auf unangenehme Weise an ein aufgerissenes Maul erinnerte.
Ich drehte den Kopf, schaute genauer hin.
Nichts.
Ich machte ein paar Schritte auf die Gangöffnung zu. Da war es wieder! Ein verhaltenes Blitzen, leicht zu übersehen. Es veränderte sich mit dem Lichteinfall, je nachdem, wo man stand.
Ich bückte mich – und stieß einen leisen Pfiff aus. Vor mir auf dem Boden lag ein einzelnes, schillernd geschliffenes Glitzersteinchen. Als ich es aufhob, stellte ich fest, dass es auf der Rückseite abgeflacht und mit einer Klebefläche versehen war. Es war dieselbe Sorte, mit der Zara nicht nur ihr Handy-Etui, sondern auch große Teile ihres Rucksacks verziert hatte!
»Hut ab, Sherlock Schwabbel«, ließ sich Asmoduin vernehmen, der über meine Schulter peilte. »Eine heiße Spur, nehme ich an?«
Ich nickte. »Zaras Rucksack muss an der Ecke hängen geblieben sein, als Belchior sie davonzerrte. Dabei hat sich der Stein gelöst.« Ich deutete in die Finsternis des linken Tunnels. »Wir müssen dort entlang!«
Die Deckenleuchten
Weitere Kostenlose Bücher