Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle
hatte ich mir das Ganze bloß eingebildet? War ich vielleicht, ohne es gewusst zu haben, wirklich ein Ass im Handball?
Ich beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen.
Mein zweiter Treffer hatte den bisherigen Vorsprung von Fausts Team ausgeglichen. Ein weiteres Tor würde uns in Führung bringen. Und noch zorniger, als er ohnehin schon war, konnte Faust kaum mehr werden.
Ich bekam den Ball in die Hände, als ich mich etwa in der Mitte des Spielfelds befand. Da ich nicht vernünftig dribbeln kann (und darüber hinaus aussehe wie der Jabberwocky aus
Alice im Wunderland
, wenn ich es versuche), riss ich die Arme hoch und warf geradewegs auf das gegnerische Tor.
»Spinnt der? Das ist viel zu weit weg«, zischte jemand hinter mir. Doch der Ball war schon auf dem Weg.
Er beschrieb einen eleganten Bogen und wäre vermutlich rund zwei Meter vor dem Tor auf dem Boden aufgeschlagen, wenn … ja, wenn es nicht
wieder
passiert wäre: Der Ball verlangsamte mitten im Flug – ganz sanft, so als gebe sich jemand Mühe, es möglichst unauffällig zu machen. Einen Wimpernschlag später schoss er mit enormer Wucht waagerecht aufs Tor zu.
Ein dumpfer Aufprall, ein zischendes Entweichen von Luft aus zwei gequetschten Lungenflügeln, und der gegnerische Torhüter hing erneut rücklings im Netz, den kleinen, harten Ball tief in seinem Wanst. Wieder toste der Jubel meiner Mitspieler über mich hinweg.
Während sich Mr Grendel um Faust kümmerte, der offenbar keine Luft mehr bekam, rang ich mich zu einer wenig beruhigenden Erkenntnis durch: Entweder hatte ich mich durch eine spontane genetische Mutation in einen Handballprofi reinsten Wassers verwandelt, oder hier passierte irgendetwas höchst Unnatürliches, das mit rationalen Mitteln nicht zu erklären war. Die erste Variante (so schön sie gewesen wäre) schien eher in einen Comic mit dem Unglaublichen Hulk zu passen. Die zweite erforderte weiterführende Recherche.
Faust war wieder auf den Beinen. Er wehrte sich standhaft gegen Mr Grendels Angebot, ihn auszuwechseln, damit er sich von den erlittenen Einschlägen erholen konnte. Wortfetzen wie »heimzahlen«, »fertigmachen« und »letzter verdammter Treffer« wehten über das Spielfeld. Schulterzuckend pfiff Mr Grendel das Spiel wieder an.
Um eine längere Geschichte abzukürzen: Es blieb nicht mein letzter Treffer.
Wir beendeten die zweite Halbzeit mit 17 : 2. Zu diesem Zeitpunkt hatte Faust krachende Treffer gegen die Brust (drei Mal), das Knie (ein Mal), erneut ins Zentralmassiv (sieben Mal) sowie diverse andere schmerzempfindliche Körperregionen kassiert.
Bemerkenswerterweise landeten sämtliche Bälle nach ihrem Zusammenstoß mit dem Torhüter absolut zielsicher im Netz, obwohl es mehr als einmal so aussah, als müsste der Aufprall sie auf direktem Wege wieder aus dem Kasten katapultieren.
Faust weigerte sich bis zum Schluss, seinen Posten im Tor aufzugeben. Als ich in der letzten Spielminute zwei Siebenmeter zu zwei weiteren Toren verwandelte, war er bereits so angeschlagen, dass er sich meinen Würfen nur noch halbherzig entgegenstellte. Der erste erwischte ihn seitlich am Kopf, worauf er dem zweiten geradezu furchtsam auswich – umsonst! Der Ball legte mitten im Flug eine scharfe Kurve ein und donnerte Faust, der sich in letzter Sekunde panisch wegzudrehen versuchte, voll gegen das Kinn. Er verdrehte die Augen, ging zu Boden und stand nicht wieder auf.
Zu meiner maßlosen Erleichterung tauchte er auch im Anschluss an das Spiel nicht in der Umkleide auf. Ich vermutete zunächst, er wollte nichts von den euphorischen Siegesgesängen mithören, die meine Mitstreiter dort für mich anstimmten. Doch auch in den folgenden Pausen wurde er nicht gesehen. Möglicherweise hatte er mehr abbekommen, als ich angenommen hatte. Oder es war ihm einfach zu peinlich.
Als ich mich nach der sechsten Stunde auf den Heimweg machte, erfuhr ich, dass Faust den halben Vormittag im Krankenzimmer der Schule verbracht hatte und anschließend nach Hause geschickt worden war. Zwar würde das die unausweichlich bevorstehende Abreibung auf unbestimmte Zeit hinauszögern, doch ich fühlte mich längst nicht mehr so glorreich, wie es mir nach dem ersten sportlichen Erfolg meines Lebens eigentlich zugestanden hätte. Und mir war mittlerweile sonnenklar, dass sich die Vorgänge in der Sporthalle nahtlos in eine Serie merkwürdiger Ereignisse einreihten, deren Ursache mir nach wie vor schleierhaft war.
Während der Busfahrt starrte ich aus dem
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