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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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qualifiziert und interessiert, und wenn es der äußere Rahmen ermöglicht, werden sie gewissenhaft und verantwortungsbewusst arbeiten.
    Ich brauche manchmal »Umwege«, um meine fachliche Leistung zu bringen. Leider sind diese für andere nicht immer nachvollziehbar, unverständlich und vielleicht sogar störend.
    Die Arbeitsbedingungen sind also das Haupt- und ein Dauerproblem, und ich befürchte, dass dies die größte Hürde für einen Menschen mit Autismus darstellt. Hieran scheitern viele (auch Menschen mit anderen Behinderungen), denn es ist schwierig, in der schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft mitzuhalten, wenn man »Umwege« gehen muss. Für mich selbst kann ich sagen, dass ich solche Umwege brauche, um meine fachliche Leistung zu bringen. Leider sind sie jedoch für andere nicht immer nachvollziehbar, unverständlich und vielleicht sogar störend, sodass ich verstehen kann, dass dies nur in gewissem Maße (in manchen Arbeitssituationen gar nicht) toleriert werden kann.
    Seit meiner Diagnosestellung bemerke ich, dass es leichter wird, wenn man wenigstens selbst die Wege versteht, die zum Ziel führen. Zumindest hat es mir dazu verholfen, dass ich es akzeptieren konnte, wenn ich für manche Dinge mehr Zeit, den Rückzug in einen ruhigen Raum oder gar ein Hilfsmittel (oft in Form selbst erstellter Skripte) benötigte, wo andere ganz selbstverständlich ihre Arbeit erledigten. Beispielsweise lenkte mich das Radio im Stationsstützpunkt sehr ab, und ich war nicht in der Lage, bestimmte Tätigkeiten konzentriert durchzuführen, während die Musik lief. Seit ich bewusst eine ruhige Ecke auf Station aufsuche, um bestimmte Arbeiten zu erledigen, bemerke ich, dass ich weniger Energie dafür brauche und weniger genervt bin. Andererseits istmir klar geworden, dass in einem Arbeitsumfeld, wo ein laufendes Radio von der Mehrheit gewünscht wird, ich als Einzelfall keine dauerhafte Lösung finden kann. Vermutlich muss ich mir einen Arbeitsplatz ohne Radio suchen.
    Der Umgang mit den vielen Kollegen fällt mir schwer
    Für mich ist es nicht leicht, mit etwa 40 ärztlichen Kollegen zu arbeiten. Hinzu kommen sehr viele Pflegekräfte, die Reinigungs- und Transportteams und viele andere im Krankenhaus beschäftigte Menschen, mit denen man tagtäglich zu tun hat und die meiste Zeit seines Lebens verbringt. Es gab schon immer Dinge, die mir im täglichen Miteinander schwerfielen, und besonders schwierig wird es, wenn die berufliche Interaktion plötzlich mit privaten Anlässen verknüpft wird. Sei es der Betriebsausflug, das gemeinsame Skiwochenende oder die nett gemeinte, mich aber komplett überfordernde Einladung zur Hochzeit einer Arbeitskollegin: Wie sagt man ab, wenn man spürt, dass man die Erwartungen nicht erfüllen kann und gleichzeitig höflich sein möchte? Am schlimmsten dabei ist, wenn man selbst nicht genau weiß, warum man einer nett gemeinten Einladung nicht nachkommen kann. Einfacher wurde es für mich, als ich dank der Autismusdiagnose verstand, was das Problem war. Leider war meine schriftliche Absage mit dem Versuch einer Erklärung dennoch für meine Kollegin nicht wirklich zu verstehen. Dies führte dazu, dass der Umgang miteinander noch schwieriger wurde und auch die Arbeit belastete.
    Mir ist sehr wohl bewusst, dass der Umgang mit mir eine Herausforderung für alle darstellt und dass viele durch mich entstandene Situationen energieraubend und mühsam waren.
    Insgesamt gehören die Arbeitskollegen zu den Rahmenbedingungen des Jobs, die man nur in geringer Weise beeinflussen kann. Vielleicht wird es in Zukunft, wenn autistische Störungen bekannter werden, einfacher, auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen zu verbessern. Ob es aber in einem so großen Betrieb wie der internistischen Station eines Krankenhauses je möglich sein wird, ein Nebeneinander oder vielleicht sogar ein konstruktives Miteinander von Menschen mit verschiedenen Wahrnehmungen zuzulassen, bleibt abzuwarten. Gemeinsam mit meinem Chef und einem der Oberärzte kämpfe ich seit der Bekanntgabe meiner Diagnose um die Möglichkeit für ein gemeinsames Arbeiten und ein besseres Verständnis. Es ist für alle Beteiligten mühsam.
    Allgemein wäre es wünschenswert, wenn es im beruflichen Umfeld einen Ansprechpartner gäbe, der beide Sichtweisen nachvollziehen und ordnen könnte. Auch als

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