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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten
Autoren: Christine Preißmann
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für mich zu suchen. Die diesmal zuständige Dame war nun aber alles andere als erfreut darüber. Wir könnten doch nicht einfach einen Ausbildungsvertrag abschließen, ohne das vorher mit der Agentur abgesprochen zu haben. Und mit einer Ausbildung in einem Medienberuf wäre man keinesfalls einverstanden gewesen. Man bot einen lächerlich geringen Zuschuss für die abm an. Erst die Intervention der damaligen Behindertenbeauftragten der bayerischen Staatsregierung zog ein Umdenken der Arbeitsagentur nach sich.
    Ein Notendurchschnitt von 1,5 in der Berufsschule nach dem ersten Lehrjahr und mein großes Interesse auch an Kamera und Ton veranlassten meine Lehrer, mir einen Ausbildungswechsel nahezulegen: Anstelle des »Film- und Videoeditors« sollte ich den höherwertigen Abschluss als »Mediengestalter in Bild und Ton« machen. Meine Ausbildungsfirma war von der Idee ebenfalls sehr angetan, und so wurde dieser Wechsel ziemlich unbürokratisch vollzogen.
    Im Sommer werde ich dann also meine Abschlussprüfung ablegen. Bereits jetzt werde ich aber wieder unruhig, wie es dann weitergehen soll. Mein Betrieb ist außerordentlich zufrieden mit mir und möchte mich gerne übernehmen, ist aber aufgrund der Rezession in einer finanziellen Schieflage. Der freie Markt in der Medienbranche ist hart umkämpft, und meine Fähigkeiten liegen mehr im fachlichen Bereich als im Knüpfen von Kontakten und Pflegen von Seilschaften. Und an eine konstruktive Hilfe der Arbeitsagenturen wage ich nach den letztjährigen Erfahrungen nicht mehr zu glauben. Ich hoffe trotz allem, dass man sich in der Firma nach dem Abschluss meiner Ausbildung um Lösungswege für meine berufliche Zukunft bemühen wird.

    Menschen mit Autismus arbeiten in der Regel exakt und genau, sind pünktlich und zuverlässig.
    Wenn sie ihre Kompetenzen ausspielen können, werden sie zu unglaublich wertvollen Mitarbeitern.
    Ich bin Fachärztin für Innere Medizin
    Nicole Höhlriegel
    Bereits während der Schulzeit bestand mein Tagesablauf und somit der Rahmen meines Lebens aus dem Stundenplan. Zu Beginn eines Schuljahres erarbeitete ich mir diesen Rahmen. Ich malte ihn auf die Innenseite meines Schulordners, genau nach Zeitablauf und Wochentag sortiert. Für jede Stunde des Tages gab es einen Inhalt. Nicht nur die Schulfächer, sondern auch meine sonstigen Aktivitäten standen dort (Volleyballtraining, Turntraining, Nachhilfe geben, Oma besuchen …).
    Ich arbeitete mit Stundenplan und Skripten
    Das Studium lief nach dem gleichen Schema ab. Bereits vor dem Semester bastelte ich meinen Stundenplan und bereitete die einzelnen Inhalte vor. Vor der ersten Vorlesung musste ich auf meine Art die Lerninhalte erarbeitet haben. Hierfür ging ich in die Universitätsbibliothek und schrieb meine Skripte mit verschiedenen Farben auf unterschiedliche Papiere, sortiert nach meiner Einordnung der Themen. Parallel zu den Vorlesungen wiederholte ich meine Skripte und konnte mit den Kursen und Praktika Verständnislücken füllen. Ein alleiniges Lernen anhand der normalen Semesterinhalte wäre für mich nicht denkbar gewesen, denn die Vorlesungen waren von vielen unabsehbaren Hürden umgeben (Weg zur Uni, Laune der Mitstudenten, Stress in der Mensa, schlaflose Nacht wegen Krach im Wohnheim usw.). Auch verstehe ich Geschriebenes viel leichter als den Inhalt eines (leider oft unstrukturierten) Vortrages.
    Der fachliche Inhalt des Studiums war relativ einfach zu bewältigen – sehr schwierig war allerdings das ganze Drumherum, denn ich durchschaute viele der sozialen und universitären Regelungen nicht.
    Insgesamt gesehen war für mich der fachliche Inhalt des Studiums relativ einfach zu bewältigen – sehr schwierig war allerdings das ganze Drumherum, denn ich durchschaute viele der sozialen und universitären Regelungen nicht. Wo andere längst über Prüfungsinhalte und -zeiträume informiert waren, war ich häufig erstaunt über diese Informationen und erfuhr oft nur zufällig von Vorbereitungskursen und Anmeldefristen. Trotz meiner Andersartigkeit gab es aber fast immer nette Menschen, die mir über die größten Hürden hinweghalfen. Daraus haben sich später auch echte Freundschaften entwickelt. Bei einer Kommilitonin durfte ich sogar Trauzeugin sein. Mittlerweile hat sie zwei süße Kinder, und ich mag die ganze Familie sehr. Ohne solche Menschen wäre
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