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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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weiß wirklich gut Bescheid, was aber im Umgang mit Vorgesetzten oft unangemessen und nicht immer erwünscht ist.
    Im Rahmen meiner Facharztweiterbildung gab es immer wieder Gespräche und Diskussionen um die Weiterbildungsplanung. Für mich waren viele Abläufe und Zeitpläne nicht nachvollziehbar, und noch verunsichernder waren Äußerungen wie »… das entscheiden wir dann, wenn es so weit ist«. Am liebsten wäre mir für eine sinnvolle und strukturierte Vorbereitung direkt zu Beginn der Tätigkeit ein Plan mit genauen Zeitangaben und Inhalten gewesen. Dies war jedoch nicht möglich und führte bei jedem Mitarbeitergespräch, das einmal im Jahr stattfand, zu erneutem Fragen meinerseits und ungenauen Antworten durch meinen Chef. Ich konnte und kann bis heute nicht nachvollziehen, wie es Nichtautisten egal sein kann, wann was in welcher Form stattfindet. Ich selbst litt sehr unter der Unsicherheit und zweifelte regelmäßig auch meine fachlichen Fähigkeiten an; so redete ich mir jedes Jahr stärker ein, dass ich bestimmte Inhalte aufgrund von Inkompetenz nicht machen darf. Dass meist organisatorische Gründe die Ursache waren, konnte ich nicht verstehen.
    Mir brachte die Mitteilung der Autismusdiagnose am Arbeitsplatz nur Nachteile
    Bezüglich der Mitteilung der Autismusdiagnose an Vorgesetzte habe ich noch keine eindeutige Meinung. Einerseits spürte ich immer, dass ich mit manchen – meist nicht direkt fachlichen – Arbeitsinhalten überfordert war. Durch Mitteilung der Behinderung erhoffte ich mir eine Erleichterung in diesen Bereichen, besonders in interaktiven Arbeitssituationen. Andererseits mache ich seit der Mitteilung der Diagnose in meinem Arbeitsumfeld viele unangenehme undenergieraubende Erfahrungen, sodass ich derzeit immer wieder daran zweifle, ob mein Vorgehen richtig war. Dies muss also im Einzelfall und abhängig von der jeweiligen Arbeitssituation entschieden werden. Auch bei einem Neuanfang an einer Arbeitsstelle muss gut abgewogen werden, ob die eventuellen Vorteile durch die offizielle Schwerbehinderung die Vorurteile und die damit verbundenen Schwierigkeiten überwiegen. Autismus ist leider weiterhin weitestgehend unbekannt und wird immer noch falsch eingeschätzt, und ein Einarbeiten in dieses Thema ist den meisten Vorgesetzten und Arbeitskollegen nicht möglich.
    Mit der Mitteilung der Diagnose erhoffte ich mir eine Erleichterung in interaktiven Arbeitssituationen. Was leider nicht eintrat, stattdessen wurde ich trotz Facharzttitel zu Anfängertätigkeiten degradiert.
    In meinem Fall führte die Mitteilung der Diagnose bislang nicht zur Vereinfachung der beruflichen Situation. Die Tatsache, dass ich konkret mich beeinträchtigende Rahmenbedingungen nennen konnte (lautes Radio, täglich anders verräumte Gegenstände auf dem Schreibtisch, kurzfristige Bereichszuteilungen, ungeplante Dienständerungen, häufige Telefonanrufe zu Hause bezüglich beruflicher Inhalte) und die Bitte um Berücksichtigung dieser Punkte bei weiteren Planungen halfen nicht. Im Gegenteil, die bestehenden funktionierenden und geplanten Strukturen wurden sehr kurzfristig geändert. Ich wurde im Dauertagdienst eingesetzt; somit genau dann, wenn am meisten »Soziales« zu tun war und ich mit den meisten Menschen gemeinsam unter sehr reizintensiver Umgebung arbeiten musste. Meine Fähigkeiten, die ich besonders in reizarmer und geordneter Umgebung effektiv einsetzen kann, wurden mir dadurch von einem Tag auf den anderen genommen.
    Ich kann nicht verstehen, warum die Zuordnung des Begriffs Autismus zu meinen Schwächen und Fähigkeiten ad hoc zu diesen Veränderungen führte, obwohl ich der gleiche Mensch bin wie zuvor und der Autismus so angeboren ist wie jede meiner sonstigen Eigenschaften auch. Mit der Mitteilung der Diagnose wurde ich trotz Facharzttitel zu Anfängertätigkeiten degradiert. Dass mir diese besonders schwer fielen (wegen der Rahmenbedingungen), wurde dann insoweit fehlinterpretiert, dass man mir nicht einmal dies mehr zutraute und mich als »krank« nach Hause schickte. Dass das plötzliche komplette Umstellen meines Arbeitsinhaltes und -rahmens mich weiter kaputt machte, war für meine Vorgesetzten und Kollegen nicht nachzuvollziehen.
    Mit diesem Beispiel möchte ich zeigen, dass es für beide Seiten (die betroffenen erwachsenen Autisten und das Umfeld einschließlich Arbeitgeber)

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