Asperger - Leben in zwei Welten
im Vorfeld, dass wir möglicherweise zusammenpassen könnten, und planten daher mit reiflicher Ãberlegung unsere partnerschaftliche Verbindung. Sie fingen an, uns einmal wöchentlich unter dem Vorwand eines Kartenabends zu sich nach Hause einzuladen. Karten gespielt haben wir an diesen Abenden tatsächlich, obwohl sich anfangs meine Begeisterung dafür doch recht in Grenzen hielt. Spielkarten mit roten und schwarzen Symbolen waren für mich schlichtweg uninteressant, man hätte sie meiner Meinung nach genauso gut auch zwischen die Briketts stapeln können (die Bekannten hatten eine Ofenheizung).
Sie fingen an, uns einmal wöchentlich unter dem Vorwand eines Kartenabends zu sich nach Hause einzuladen.
Doch dass andere Menschen Interesse an mir zeigten und mich sogar zu sich nach Hause baten, kam in meinem damaligen Leben nicht oft vor, und so wardas in jedem Fall ein lukratives Angebot, das ich nicht so einfach ausschlagen wollte. Also stand ich am vereinbarten Tag pünktlich vor der Haustür, nahm kommentarlos die Karten zur Hand und damit gleichzeitig die Chance wahr, mit anderen Menschen in engeren Kontakt zu kommen.
Diese Kartenrunde erwies sich dann aber doch als recht amüsant, und so kam ich den weiteren Einladungen mit Vergnügen nach. Das Ganze lief über einen Zeitraum von etlichen Wochen, und auÃer ein paar verstohlenen Blicken über die Kartenränder geschah zunächst nichts, abgesehen von ein paar geköpften Schokoladen-Nikoläusen. Denn was ich nicht zu Wort bringen konnte, zeigte sich nach einiger Zeit recht deutlich durch ziemlich ausgelassenes Verhalten, vor allem, nachdem ich mir sicher sein konnte, dass ich mir das in diesem Kreise erlauben konnte. Jeder Schokoladenweihnachtsmann, den ich an jenen Abenden zu essen gedachte, wurde zuvor über Martins Glatze aufgeschlagen, als wäre er ein rohes Ei, was für erhebliche Stimmung und reichlich Gelächter sorgte und in Wirklichkeit nichts anderes war als der Versuch einer ÃuÃerung meiner Verliebtheit.
Martin gab mir Fahrunterricht. Doch so ganz bei der Sache war ich dabei natürlich nicht, denn ich hatte plötzlich ganz andere Gedanken im Kopf.
Ich hatte damals gerade erst meinen Führerschein erworben und erzählte an einem der darauffolgenden Kartenabenden von dem plötzlichen und auch recht kostspieligen Beweisfoto eines »Starenkastens«, und die Panik um meinen recht mühsam erstandenen Führerschein, dessen Probezeit noch lief, machte sich deutlich bemerkbar. Das war das Stichwort für Martin, der erklärte, ich bräuchte als Anfängerin doch einen erfahrenen Fahrer an meiner Seite, und so saÃen wir zwei Tage später im Auto, um gründlich die Fahrpraxis zu trainieren. Doch so ganz bei der Sache war ich dabei natürlich nicht, denn ich hatte plötzlich ganz andere Gedanken im Kopf. Martin ging es wohl ähnlich, er dirigiertemich nämlich recht bald zu einem Café mit der Begründung, meine Aufmerksamkeit hätte nachgelassen und dann müsste man doch schlieÃlich eine Pause einlegen. Das war vor über 16 Jahren der Beginn unserer bis heute bestehenden Beziehung.
Damals lebte ich vorübergehend allein und kam damit nicht wirklich zurecht. Auf der einen Seite bestand der Wunsch, andere Menschen kennen zu lernen, aber auf der anderen Seite hatte ich Angst, Kontakte zu knüpfen. Daher war mein Radius auf die wenigen Menschen beschränkt, die ich zuvor schon kannte und auch ziemlich oft getroffen hatte. Es entstand der allgemeine Eindruck, ich hätte einen groÃen Bekanntenkreis. In Wirklichkeit aber flüchtete ich vor dem Alleinsein und war daher sehr dankbar, als ich plötzlich von den erwähnten Bekannten regelmäÃig eingeladen wurde. Diese wurden für mich so innerhalb weniger Wochen zu guten Freunden, die Martin und mich mit gut überlegtem Geschick zu einer Partnerschaft führten.
Martins Eltern fanden mich zwar nett, aber auch recht nervös und unbeholfen
Doch nicht mit allen Menschen gestaltete sich der Umgang so problemlos wie mit diesen neu gewonnen Freunden. Denn wenn man eine Beziehung eingeht, hat man ja folglich auch Berührungspunkte mit der Familie des Partners. Der erste Eindruck, den diese von mir hatten, war jedoch, dass ich zwar sehr nett, aber doch auch recht nervös sei. Das tatsächliche Ausmaà zeigte sich erst ein halbes Jahr später, als wir gemeinsam mit Martins Eltern und
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