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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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Geschwistern in den Urlaub fuhren.
    Martins Familie stellte mit Enttäuschung fest, dass ich nicht gerade dem üblichen Bild einer jungen Frau Mitte Zwanzig entsprach.
    Es stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass mir das selbstständige und vorausschauende Denken in der Haushaltsführung vollständig fehlte. Dass ich keinen Überblick hatte, was an Lebensmitteln eingekauft werden musste, dass ich mich nicht ohne genaue Anweisung bei der Essenszubereitung einbringen konnte und nur die Aufgaben im Einzelnen ausführte, um die ich auf meine Frage, wie ich mich denn an der Arbeit beteiligen könnte, direkt gebeten wurde. Hinzu kamen mein unzureichendes erwachsenes Verhalten mit oft nicht ganz situationsangemessenen Bemerkungen und Reaktionen sowie mein eher jungenhaftes äußeres Erscheinungsbild.
    Martins Familie stellte mit Enttäuschung fest, dass ich nicht gerade dem üblichen Bild einer jungen Frau Mitte Zwanzig entsprach. Und ich selbst war enttäuscht darüber, dass Martins Familie mit mir in diesem Bereich offensichtlich unzufrieden war und mich mit ihrem eigenen Verhalten und ihren eigenen Fähigkeiten verglich. Auch Martin hatte diese und ähnliche Verhaltensweisen bereits längst an mir bemerkt, aber er wusste eigentlich vonAnfang an damit umzugehen. Doch wenn mein Umzug in seine Wohnung nicht schon zum großen Teil über die Bühne gegangen wäre, hätte ich unsere Beziehung möglicherweise noch einmal gründlich überdacht, denn mir kamen die ersten ernsthaften Zweifel, ob meine Entscheidung für eine Partnerschaft wohl richtig war. Ich merkte nämlich nach und nach immer mehr, dass mich irgendetwas von anderen Menschen unterschied. Zu einem Partner gehört schließlich auch dessen Familie, und es ist mir ein wichtiges Anliegen, mit meinem nächsten Umfeld in gutem Einvernehmen zu leben.
    Meine Angehörigen waren höchst erfreut darüber, dass ich einen netten jungen Mann kennen gelernt hatte und mein Lebensweg doch noch einer üblichen Normalität entgegenzugehen schien.
    Zu jener Zeit ahnte noch niemand in meiner Umgebung etwas vom Asperger-Syndrom. Auch für meine eigene Familie war meine damals nur unzureichende Selbstständigkeit eine nicht unwesentliche Belastung, ganz abgesehen von all den anderen Auffälligkeiten, die ein vom Autismus betroffener Mensch im Alltag zeigt. Dass meine mangelnde Fähigkeit zum vorausschauenden Denken bis weit ins Erwachsenenalter hinein auf das Behinderungsbild des autistischen Spektrums zurückzuführen war, das bei mir erst vor wenigen Jahren diagnostiziert wurde, konnte niemand wissen. Dies aber hat absolut nichts mit einem Mangel an Intelligenz zu tun. Jedenfalls waren auch meine Angehörigen seinerzeit höchst erfreut darüber, dass ich einen netten jungen Mann kennen gelernt hatte und mein Lebensweg wohl offensichtlich doch noch einer üblichen Normalität entgegenzugehen schien.
    Ich lebte nun mit Martin in der inzwischen gemeinsamen Wohnung
    Seine Familie hatte ihre Meinung über mich im Laufe der Zeit dahingehend korrigiert, dass ich zwar weiterhin als ein wenig unbeholfen und übermäßig nervös galt, aber bei all dem doch ein sehr gutmütiges Wesen hatte und hilfsbereit war. Sie glaubten, ich bräuchte einfach noch ein wenig Zeit, um mich zu einer Frau zu entwickeln, die sich altersgemäß verhielt. Auch Martin und ich hatten anfangs gedacht, dass sich mit der Zeit so manches bessern würde, nachdem ich erhebliche Probleme mit der räumlichen Nähe im gemeinsamen Schlafzimmer bekam. So trennten wir bis auf Weiteres erst einmal die Nachtquartiere.
    Auch in vielen weiteren Situationen unterschied ich mich von anderen Frauen deutlich. So konnte ich zum Beispiel nicht nachvollziehen, warum man nicht überall in Jeans und Sweatshirt erscheinen sollte, oder weshalb man nicht bei allen Menschen ungehemmt äußern kann, was man denkt und gerne mitteilen möchte. Ich fühlte mich oft unwohl, wenn ich über einen längeren Zeitraum mit unterschiedlichen Menschen zusammentraf, die nicht zu meinem eng ausgewählten Personenkreis zählten, und konnte mit vielen ihrer Gesprächsthemen oder auch sonstigen Interessen nichts anfangen. Die Folge war, dass irgendwannunwillkürlich meine Konzentration abschweifte und die Leute an meinen Augen oder meinem Gesichtsausdruck registrierten, dass ich nicht mehr ganz bei der Sache war.
    Martin und

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