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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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nach dem andern erzählt, sodass auch wir beide uns an den Gesprächen beteiligen können.
    Abgesehen von ein paar organisatorischen Hilfestellungen bin ich eigenständig im Haushalt, genauso wie andere Frauen auch.
    Was die Organisation des Haushaltes betrifft, so haben wir hier von Anfang an recht schnell eine Lösung gefunden. Da mir oft die Kreativität für einen abwechslungsreichen Speiseplan fehlt, überlegen wir gemeinsam, was gekocht werden könnte. Die Anregungen kommen dabei meistens von Martin. Doch danach entscheide ich letztendlich schon selbst, was dann tatsächlich auf den Tisch kommt. Ich kann zwar recht gut kochen, aber die einzelnen Vorgänge bei der Zubereitung müssen für mich klar überschaubar sein. Allerdings, was das Thema Backen betrifft, so scheitert meine Haushaltskunst gewaltig, aber das betrachten wir keineswegs als Einschränkung, denn niemand ist perfekt und muss es auch gar nicht sein. Außerdem gibt es überall Fertiggebäck zu kaufen, und wer bei uns zum Kaffeetrinken eingeladen wird, der weiß, dass er dann eben meist den Kuchen aus der Tiefkühltruhe auf seinem Teller liegen hat, abgesehen von ein paar einfach herzustellenden Rezepten.
    Ich gebe mir große Mühe, die unausgesprochenen Regeln des sozialen Miteinanders weitgehend einzuhalten.
    Im Übrigen habe ich von Anfang an den Hauptanteil der Hausarbeit übernommen, zum einen deshalb, weil Martin voll berufstätig ist, und außerdem möchte ich mir meine inzwischen erlernte Selbstständigkeit unbedingt erhalten. Das heißt, abgesehen von ein paar organisatorischen Hilfestellungen bin ich eigenständig im Haushalt, genauso wie andere Frauen auch. Das Gleiche gilt auch für das Einkaufen. Ich liste vorher genau auf, was im Haushalt gebraucht wird und welche Zutaten ich zum Kochen benötige. Doch würde ich diese Einkäufe jedes Mal selbst erledigen, wäre der Lebensmittelbestand des täglichen Bedarfs alles andere als abwechslungsreich. Denn ich bin nicht gerade das, was man als flexibel bezeichnet, und das zeichnet sich auch deutlich in der Haushaltsführung ab. Mit anderen Worten, es gäbe morgens und abends fast immer das Gleiche zu essen, und würde Martin nicht darauf achten, hätten wir auch mittags oft recht ähnliche Varianten einer Mahlzeit auf dem Tisch stehen. Um dies möglichst zu vermeiden, erledigen wir den geplanten Einkauf in der Regel gemeinsam.
    Außerdem habe ich im Laufe der Zeit festgestellt, dass soziale Fertigkeiten, die andere Menschen intuitiv beherrschen, durchaus zum Teil erlernbar sind. Es war mir immer schon sehr wichtig, möglichst an die Normalität angepasst und dementsprechend relativ unauffällig zu leben. So versuche ich, während eines Gespräches darauf zu achten, dass auch das Gegenüber ausreichend zu Wort kommt und ich nicht zu lange über ein Thema spreche. Umgekehrt ist es aber natürlich auch wichtig, dass man sich an der Unterhaltung aktiv beteiligt und auch einen gewissen Anteil zu solchen Gesprächsthemen beiträgt, die einem selbst als eher uninteressant erscheinen. Zudem sollte man die Gesprächspartner zwischendurch auch mal anschauen. Diese Beispiele sind natürlich situationsbedingt nicht immer im erforderlichen Umfang realisierbar, aber ich gebe mir große Mühe, die unausgesprochenen Regeln des sozialen Miteinanders weitgehend einzuhalten.
    Die Diagnose Asperger-Syndrom war eine Erleichterung
    Vor ungefähr vier Jahren kam es dann recht zügig zur Diagnose Asperger-Syndrom. Eine umsichtige Therapeutin hatte erkannt, dass sich trotz der langen Behandlung bei mir kaum Fortschritte zeigten, und aus ärztlicher Sicht vermutete man daher möglicherweise ein ADHS. Weitere Untersuchungen in einer Fachklinik bestätigten dies zunächst auch. Doch eine darauf abgestimmte psychologische und medikamentöse Behandlung führte ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg, sodass wieder Zweifel an der richtigen Diagnose aufkamen. Ein weiterer Termin in einer anderen Fachklinik brachte dann endlich Klarheit, und die nachfolgenden Untersuchungen bestätigten die endgültige Diagnose.
    Auf der einen Seite war ich erleichtert, endlich eine Erklärung für all meine Schwierigkeiten gefunden zu haben, und Martin ging es ganz genauso. Andererseits empfand ich es aber auch als Stigma, dass gewisse Defizite wohl ein Leben lang werden bestehen bleiben. Das zu

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