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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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Trauerrituale umging ich. Das alles war für mein Umfeld nicht zu verstehen und sorgte für Enttäuschung und Unverständnis. Nach außen wirkte ich einfach nur egoistisch und selbstbezogen (erfüllte also das, was das Wort autistisch eigentlich sagen will). Leider ließ ich mir von diesen ausgesprochenen und auch unausgesprochenen Vorwürfen mal wieder ein schlechtes Gewissen machen. Dieses schlechte Gewissen trieb mich sogar dazu, den Steinkasten auf dem Friedhof zu besuchen, auf dem der Name meiner Oma steht. Ich tat dies heimlich und war frustriert über den aus meiner Sicht lieblosen Anblick, der nichts mit meiner Oma zu tun hatte. Noch weniger konnte ich auf diese Art Trost finden – es war mal wieder eine Handlung, die ich tat, weil es sich so gehörte.
    Mein Alleinsein war meine Art der Bewältigung dieses für mich sehr großen Verlustes.
    Wie ich seit meiner Autismusdiagnose weiß, trauerte ich auf meine andere Art. Mein Alleinsein war meine Art der Bewältigung dieses für mich sehr großen Verlustes. Der weiterlaufende Alltag war vermutlich meine einzige Chance, mit den nächtlichen Gedanken an meine Großmutter und dem Unverständnis ihres Todes umzugehen. Das Weiterschreiben meiner Klinikskripte verschaffte mir die Ruhe und Energie, zu begreifen, dass dieser für mich sehr wichtige Mensch nicht mehr da war. Ich trauerte einfach anders. Es war und ist bis heute für mein Umfeld nicht zu verstehen. Aber ich kann versichern, dass ich noch immer sehr traurig darüber bin, dass meine Oma so früh und auf diese Weise gestorben ist.
    Dies ist nur eines von vielen Beispielen, das näher bringen soll, was hinter unterschiedlichen Verhaltensweisen stecken kann. Natürlich trauert und fühlt jeder Mensch anders und verhält sich unterschiedlich. Autisten verhalten sich oft außerhalb der normalen Bandbreite an Gefühlsäußerungen, und dies führt, wenn man nicht hinter die Fassade blickt, sehr schnell zu der Meinung, dass ein Autist unsensibel sei. Es kostet viel Aufmerksamkeit und vermutlich auch ein längerfristiges Erleben eines autistischen Menschen, um zu erkennen, dass hinter dem zunächst seltsam erscheinenden Verhalten echte Gefühle, wirkliche Zuneigung und Liebe oder aber Verzweiflung und Trauer stecken. All diese Zustände kennen Autisten sehr wohl, obwohl dies oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Mein Wunsch an mein Umfeld wäre, dass meine Art der Gefühlsäußerung akzeptiert würde. Es tut mir weh, verurteilt zu werden, weil ich meine Gefühle nicht auf die gewünschte Art und Weise zeige.
    Ich lebe bereits seit 16 Jahren mit einem Nichtautisten zusammen
    Simone Pinke
    Mit meinem Bericht möchte ich belegen, dass eine Partnerschaft zwischen Autisten und Nichtautisten durchaus gelingen kann, sofern beide Seiten dazu bereit sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen, sich auf den jeweiligen Partner einzustellen und auf ihn einzugehen. Ich selbst bin knapp über 40 Jahre alt, lebe bereits seit 16 Jahren mit einem Nichtautisten zusammen und bin sehr froh darüber, mich damals dauerhaft auf diese Beziehung eingelassen zu haben, obwohl es in den Anfängen zunächst galt, für einige Situationen, von denen ich jetzt hier unter anderem berichten möchte, die richtigen Wege zu finden.
    Obwohl ich damals noch lange nichts von meinem Asperger-Syndrom wusste, waren Männer für mich von Anfang an irgendwie suspekte Wesen, auf die man sich im Rahmen einer Beziehung besser nicht einlassen sollte. Der Versuch einer Freundschaft im jungen Erwachsenenalter erwies sich nämlich als eine sehr große Enttäuschung, die ich nicht noch einmal ertragen wollte. Schwierig war für mich vor allem das ständige Bedürfnis meines damaligen Partners nach Nähe, die ich ihm nicht entgegenbringen konnte. Diese Erkenntnis und sein Unverständnis für mein sonstiges nicht ganz der Norm entsprechendes Verhalten bedeuteten schließlich das Ende unserer Beziehung in beiderseitigem Einvernehmen. So kam es, dass für mich das Thema Partnerschaft im jungen Alter von 25 Jahren zunächst erst einmal abgeschlossen schien.
    Bekannte brachten Martin und mich zusammen
    Zu jener Zeit lebte ich in einer kleinen Stadt und hatte keine Ahnung davon, dass am Stadtrand desselben Ortes ein Mann wohnte, mit dem eine Beziehung tatsächlich realisierbar gewesen wäre. Doch gemeinsame Bekannte ahnten bereits

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