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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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ich merkten permanent, dass ich immer wieder völlig anders reagierte, als man es von mir, der Norm entsprechend, erwartete.
    Martin und ich merkten überhaupt permanent, dass ich immer wieder völlig anders reagierte, als man es von mir, der Norm entsprechend, erwartete. Zum Beispiel verstand ich oft nicht den Sinn einer witzigen oder ironischen Bemerkung, nahm das Gesagte ganz genau wörtlich, konnte einem häufigen Wechsel des Gesprächsthemas nicht recht folgen, brachte unbedachte Bemerkungen in eine Unterhaltung ein, weil ich die Zusammenhänge nur unzureichend erkannte, oder fiel durch Fragestellungen auf, die nicht direkt zum Thema passten beziehungsweise einer völlig anderen Denkweise entsprachen. Oder aber ich vertiefte mich in irgendwelche Monologe, ohne zu bemerken, dass das Interesse der Gesprächsteilnehmer zurückging beziehungsweise ihre Aufnahmefähigkeit nachließ. Denn ich war nicht in der Lage, gleichzeitig zu sprechen und auf die Blicke, die Mimik und die Gestik der beteiligten Personen zu achten.
    Wir wählen gemeinsame Bekannte gezielter aus
    Bei Familienfeiern oder anderen festlichen Anlässen wie z. B. Geburtstagen geriet ich am Anfang unserer Beziehung immer besonders in die Kritik, vor allem, wenn bei der Garderobe eine gewisse Etikette gewahrt werden musste. Ich versuchte mich zwar vom Bekleidungsstil her nach und nach einigermaßen anzupassen, aber bei der Frisur oder der Kosmetik waren meine Grenzen eindeutig ersichtlich.
    Ich zog mich ein Stück weit von Martins Familie und auch von einigen Bekannten zurück, da wir bemerkten, dass sie mit meinem Anderssein nicht gut umgehen konnten.
    Da Martin schon immer andere Menschen relativ gut einschätzen konnte, überlegten wir nun genau, welche Kontakte uns wichtig erschienen und welche Bekannte tolerant genug waren, dass ich mich einigermaßen ungezwungen mit ihnen einlassen konnte, ohne allzu große Gefahr zu laufen, in negative Kritik zu geraten. So zog ich mich zum Beispiel ein Stück weit von Martins Familie und auch von einigen Bekannten zurück, da wir bemerkten, dass sie mit meinem Anderssein nicht gut umgehen konnten. Bei all dem sollte aber Martins Verhältnis zu seiner Familie nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, daher war es mir sehr wichtig, dass er seine Angehörigen nach wie vor regelmäßig besuchte, aber dann eben meist ohne mich. So wurde das Verhältnis zu diesen Menschen nach einiger Zeit entspannter und wir konnten über die gewonnene Distanz wesentlich besser miteinander umgehen, weil sich durch die reduzierten Kontakte folglich auch weniger Anlässe für Auseinandersetzungen ergaben, was für mich mit deutlich geringeren sozialen Ängsten einherging.
    Auf diese Weise vergingen nun etliche Jahre. Wir stellten immer deutlicher fest, dass sich über den gesamten Zeitraum eigentlich kaum etwas an meinen zum Teil etwas ungewöhnlichen Eigenschaften verändert hatte, und fragten uns permanent, was dem wohl zugrunde liegen könnte. Mittlerweile hatte man bei mir eine sogenannte Sozialphobie diagnostiziert, und in einer Verhaltenstherapie sollte ich lernen, meine Unsicherheit im sozialen Kontext zu überwinden. Doch all das führte nicht im Geringsten zum angestrebten Erfolg.
    Martin und ich ergänzen uns gegenseitig
    Da mir oft die Kreativität für einen abwechslungsreichen Speiseplan fehlt, überlegen wir gemeinsam, was gekocht werden könnte.
    So begannen Martin und ich damit, uns Strategien zu überlegen, wie wir bestmöglich und ohne allzu große Probleme unser gemeinsames Leben und den Alltag bewerkstelligen könnten. Dabei ergänzen wir uns gegenseitig, denn auch Martin ist beeinträchtigt: Er ist schwerhörig und kann daher beispielsweise ebenfalls nicht viele Menschen um sich herum ertragen, da in diesen Situationen oft aus allen Richtungen die Akustik zu ihm vordringt. Einem Schwerhörigen bereitet es nämlich ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten, seine Geräuschkulisse nach der gewünschten Priorität zu filtern, auch er nimmt alles nahezu gleich laut wahr und versteht dabei oft nur unzureichend, was das jeweilige Gegenüber im Einzelnen gesagt hat.
    Unsere privaten Kontakte beschränken sich also in der Regel auf kleinere Gesprächskreise oder Aktivitätsgruppen. Des Weiteren bitten wir möglichst darum, dass nicht mehrere Unterhaltungen parallel geführt werden, sondern stattdessen einer

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