Asperger - Leben in zwei Welten
ausreichender Bedenkzeit durchaus in der Lage bin, Entscheidungen auch in bürokratischen Dingen zu treffen. Also bemühe ich mich, mir die Zeit zum Nachdenken zu erbitten. Dies ist zwar im schnelllebigen Alltag mühsam und stöÃt oft auf Unverständnis, aber es erscheint mir sinnvoller, als andere über mich entscheiden zu lassen. Leider kostet es immer wieder aufs Neue Mühe und Ãberwindung, diesen Entscheidungsfreiraum einzufordern.
Wie ich mir »Wohnen mit Behinderung« wünsche
Heute, seitdem ich weiÃ, dass ich Autistin bin, habe ich ein paar Vorstellungen entwickelt, wie ich mir ein »Wohnen mit Behinderung« wünschen würde. Es gibt bereits Ansätze zum Aufbau von Wohngemeinschaften für Erwachsene, zumindest in manchen gröÃeren Städten. Dies stelle ich mir sehr hilfreich und erleichternd im Alltag vor, besonders dann, wenn die Strukturen vorgegeben sind und man seine Energie für den Beruf und die Freizeit aufheben kann und nicht für die schwierige Organisation des Alltags. Hierbei finde ich nicht, dass es nötigist, etwas extra für Autisten zu organisieren. Menschen, die in ihrem Leben beeinträchtigt sind â egal durch welches Handicap â haben oft ähnliche Schwierigkeiten und verschiedenste Lösungsstrategien entwickelt, die sich gegenseitig bereichern und ergänzen können. Viele Grundstrukturen des Alltags können sicher auch das Leben von Nichtautisten erleichtern.
Eine Art »betreutes Wohnen« für erwachsene Autisten wird mancherorts angeboten. Aufgrund der sehr individuellen Probleme jedes einzelnen Hilfesuchenden müssen unterschiedlichste Strategien erarbeitet werden. Wenn der Rahmen einmal passt und eingeübt ist, kommen viele autistische Menschen sehr gut damit zurecht. Der Aufbau solcher Strukturen steckt derzeit in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Ich hoffe, dass die Notwendigkeit hierfür mittlerweile erkannt ist und sich in Zukunft breitere Realisierungsmöglichkeiten finden. Ein Mitwirken der Betroffenen halte ich hierbei für unentbehrlich. Vermutlich kann jeder Mensch besser leistungsfähig sein, wenn er seine Energie für den Beruf und nicht für die Alltagsorganisation aufwenden kann.
Ich habe das Gefühl, je älter man wird, desto eher findet man seinen eigenen Stil und entwickelt eigene Vorstellungen (anscheinend später als Nichtautisten).
Für den Wohnbereich, aber auch in vielen anderen Lebensbereichen scheint es sich zu lohnen, kreatives und unkonventionelles Vorgehen zuzulassen. Am Ende zählt, dass es funktioniert â egal wie es aussieht, egal wie es sich gehört. Warum soll man nicht einfach ausprobieren? Manche Versuche gehen nur für einen begrenzten Zeitraum gut, aber immerhin, man gewinnt Zeit, und mit der Zeit kommen neue Ideen. Auch habe ich das Gefühl, je älter man wird, desto eher findet man seinen eigenen Stil und entwickelt eigene Vorstellungen (anscheinend später als Nichtautisten). Seit ich versuche, meinen eigenen Stil zuzulassen, finde ich mehr Ruhe und fühle mich wohler. Früher fühlte ich mich sehr oft verkleidet und in einer Musterumgebung abgestellt. Vielleicht dauert das Finden des eigenen Stils für Autisten deshalb länger, weil sie ihn sich selbst erarbeiten müssen, da er unkonventionell im Vergleich zur meist nicht autistischen Umgebung ist.
Informationen und Hilfen
Viele Betroffene brauchen Anregungen, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können, weil sie selbst noch nicht entdecken konnten, was ihnen gut tut, weil sie die Vielfalt der Möglichkeiten, die ihnen auch ihr Leben bietet, noch nicht erfahren durften. Das spielt oftmals vor allem an freien Tagen und in Zeiten von Urlaub, Krankheit oder Arbeitslosigkeit eine groÃe Rolle, wenn die Struktur, die der Arbeitsplatz vorgibt, wegfällt.
Bei ihrer Freizeitgestaltung benötigen Menschen mit Autismus oft Hilfe, weil es ihnen allein nicht gelingt, entsprechende Aktivitäten zu planen und anzugehen. Diese leidet häufig darunter, dass sie nur begrenzte Interessen ausbilden, zu stereotypen Beschäftigungen tendieren und mit Veränderungen nur schwer zurechtkommen. Auch dann, wenn sie ihre Selbstständigkeit erheblich erweitern konnten, haben sie häufig Probleme, ohne Strukturierungshilfen, Rückmeldungen und vor allem kommunikative und orientierende Begleitung ihre vorhandenen Kompetenzen optimal zu nutzen und ihr Leben
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