Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
dem Mund des Vampirs kamen. Das waren die Augenblicke, in denen Ari die Natur ihres Freundes mehr als deutlich wurde. Sai wischte und klopfte sich den Schnee ab und kam zu Ari und Mirx herüber. Der Falke gab Laute des Wohlbefindens von sich. »Ari, ist alles in Ordnung?«, fragte der Vampir.
»Ja, nachdem Mirx wieder da ist und wir alle noch auf Erden wandeln.« Die Dunkle vermiet das Wort »Leben« in Sais Gegenwart, um ihn nicht zu verletzen. Das bemerkte dieser auch und er amüsierte sich immer wieder aufs Neue darüber. Er sprach diesen Umstand aber nicht mehr an. Bei ihren ersten Übungseinheiten hatten sie oft über die Form seiner Existenz geredet, aber Ari gewöhnte sich nur sehr langsam an den Zustand seines Daseins.
Er kniete sich neben Ari und fixierte sie. »Ich bemerke, du hast dich immer noch nicht damit abgefunden, was ich bin. Du kannst auch in meiner Gegenwart von Leben sprechen. Es verletzt mich nicht, denn ich bezeichne meine Existenz ja nicht als ›Tod‹ oder ›Untod‹. Wir Vampire sprechen auch von Leben. Es ist eine andere Art Dasein, als die anderen Völker es haben. Im Laufe deines Lebens wirst du noch viele andere Formen kennenlernen, die nicht einmal im Entferntesten an das erinnern, was allgemein als ›Leben‹ empfunden wird. Aber lass uns dieses Gespräch auf ein anderes Mal verschieben. Wir müssen uns umsehen, ob nicht noch mehr Orks hier ihr Unwesen treiben.«
Ari nickte und raffte sich nun endgültig auf. Sie strich Mirx über das weiche Kopfgefieder und flüsterte ihm zu: »Mirx, mein Freund, schön, dass du wieder da bist, und wenn du nicht zu erschöpft bist, dann sieh dich bitte ein wenig um, ob noch mehr Schlammhäute hier lauern.«
Der Falke stieß einen Schrei aus und erhob sich in die Luft, kreiste ein paar Mal über der kleinen Klamm und verschwand dann Richtung Norden. Eriel hatte derweil Yasden so weit wiederhergestellt, dass dieser aufrecht und schmerzfrei stehen konnte. Er bewegte den verletzten Arm und die Schulter, um zu prüfen, wie beweglich sie waren. Er ließ seine Schwerter kreisen und vollführte einige komplizierte Bewegungen. Mit dem Ergebnis zufrieden, schob er seine Waffen zurück in die Scheiden.
Der Magier stand bereits vor dem Höhleneingang und betrachtete ihn mit nachdenklicher Miene, dann winkte er die anderen zu sich heran. »Meine Freunde, ich denke, wir haben den Eingang zum Tempel gefunden.« Alle sahen sich fragend an. »Nun ja, diese Verzierungen an den Wänden deuten darauf hin, dass es sich hier um das Werk von Menschen handelt. Sie sind nicht sehr filigran und auch die Handwerkskunst ist nicht sehr ausgereift. Allerdings sehe ich auch Ornamente, die den Zwergen, den Elfen und auchdem Volk der Enrai zugeordnet werden können. Manche gehen auch ineinander über und wurden miteinander verschmolzen. Sollte es also zutreffen, dass der Schrein damals von Argo und seiner Legion errichtet wurde, dann denke ich, dass wir hier richtig sind. Um es aber genau herauszufinden, sollten wir uns einfach hineinbegeben.«
Ari ging zu den Reliefs und strich mit der Hand darüber. Einige Runen waren sehr rau und klobig, andere dagegen sehr zart und glatt. Eriel konnte durchaus recht haben und der Treffpunkt, den Wolfgar genannt hatte, lag in der Finsternis vor ihnen. Sie drehte sich zu ihren Gefährten um und zog ihre Dolche. »Also gut, gehen wir hinein, aber wir müssen vorsichtig sein, denn die Orks haben bestimmt auch versucht, das Innere zu erkunden, oder gar ein Lager dort aufgeschlagen. Ich denke, dass Sai und ich zuerst hineingehen und Eriel und Yasden hier bleiben, um auf Mirx zu warten oder uns vor unliebsamen Besuchern warnen.«
Alle nickten und Sai ging voran in die Dunkelheit. Die beiden Elfen bezogen beiderseits des Eingangs Stellung und beobachteten die Abhänge ringsherum. Ari atmete noch einmal tief durch und betrat hinter dem Vampir den vermeintlichen Tempel.
Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die Finsternis und sie erkannten einen bearbeiteten Gang, der leicht geneigt in die Tiefe führte. Entgegen den Erwartungen roch es nicht muffig oder abgestanden. Eine frische Brise, die ein wenig an Frühling erinnerte, wehte ihnen entgegen, aber in der Luft lag auch noch ein anderer Duft, etwas Fremdartiges, das nicht hierher gehörte und die Harmonie des Ortes auf eine seltsame Art störte.
Langsam schlichen sie sich weiter hinab in die Dunkelheit. Ari erkannte, wie Sai sich spannte, und nahm ihrerseits eine Abwehrhaltung ein. Sie hörte
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