Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
viel sie geben können und ob es sich für sie auch lohnt, sei es im Hinblick auf ihr Ansehen oder den Gefallen, den sie danach dafür erwarten.
Genauso ging es den Drachen. Als sie einige Zeit Tiro beherrschten, wollten sich viele von den anderen unterscheiden. Sie wollten besser sein als die anderen. Leider erkannten sie nicht, dass der Einzelne sich von allen anderen naturgemäß unterscheidet. Durch unsere Ansichten und unseren einzigartigen Geist sind wir alle Individuen. Doch es war zu spät, die Saat der Gier war aufgegangen. Da Drachen Gefühle intensiver erleben als andere Völker und sie in einer Welt existierten, in der sie in ihren Augen alleine waren, bündelten sich ihre gesamte Gier und die daraus resultierenden Gefühle Überheblichkeit, Hass und Neid. Sie erschufen so ungewollt ein Wesen, das von nun an Tiro heimsuchte. Dieses Geschöpf säte Zwietracht und flüsterte den von Gier Zerfressenen ein, sie müssten noch mehr Macht und Einfluss besitzen, als sie ohnehin schon hatten. Es brach ein großer Krieg aus, der fast das ganze Drachengeschlecht auslöschte. Als den Überlebenden bewusst wurde, was aus ihnen geworden war, beschlossen sie, zu Einzelgängern zu werden und die Gesellschaft der anderen Drachen zu meiden. So konnten die, die der Gier anheimfielen, ihre Schätze horten, während die anderen nach Wissen trachteten oder einfach nur die Entwicklung der Welt beobachteten. Die ältesten und klügsten unter ihnen wollten ihrem Schrecken aber einen Namen geben. Sie nannten ihr Geschöpf Narrond. Von diesem Zeitpunkt an tauchte er überall dort auf, wo die Völker am Rande des Abgrunds standen, um ihnen den letzten Schubs zu geben oder ihnen die Chance zur Änderung zu bieten. Auch Narrond veränderte sich mit den Äonen und stieg sogar zu einer Gottheit auf. Anfangs war er nur darauf aus zu zerstören, um seinen Hass und seine unbändige Gier für eine Weile zu stillen und um Rache an denen zu nehmen, die ihm dieses schreckliche und undankbare Dasein bescherten. Die anderen Götter erkannten das und befreiten ihn von der Last der Gefühle. Heute sollte man ihn als eine Art Prüfer sehen, der die Völker auf die Probe stellt, um sich ihren Platz auf der Welt zu verdienen – oder unterzugehen und für immer aus der Geschichte getilgt zu werden. Alle Rassen wurden im Laufe der Zeit meist mehrmals geprüft. Orks, Elfen, Zwerge, Drakter, einfach alle. Narrond sucht sich einflussreiche oder aufstrebende Individuen aus und flüstert ihnen Gift ins Ohr. Das beschleunigt den Keim der Gier in ihnen. Manchmal, bei starken und rechtschaffenen Persönlichkeiten, verkümmert er, aber meist können die Auserwählten den Versuchungen nicht widerstehen und ein großer Krieg bricht los. Getrieben von Gier und Wahnsinn versuchen sie, Macht an sich zu reißen, bis sie an einen Punkt kommen, an dem sie entweder ihr falsches Handeln einsehen oder für immer verschwinden.
Die Elfen haben damals die Gabe besessen, über ihre größte Schwäche hinauszuwachsen – ihre Arroganz – und sich zu einen. Die Zwerge, von starker Sucht nach Gold und Reichtum getrieben, besannen sich ihrer Traditionen und Werte; ja selbst die Orks erkannten, dass dieser Weg sie ins Verderben führte, und teilten sich in Stämme auf, die von da an immer vom Stärksten regiert wurden. Sie können eben auch nicht aus ihrer Haut. Da der Stärkste bei ihnen aber meist nicht sehr lange am Leben bleibt, haben sie auch keine Zeit, die Stämme wieder zu einen und eine wirkliche Gefahr für die anderen Völker zu werden. All das Wissen um die Aufstellung der heutigen Gesellschaften ist längst verloren gegangen und nur die Drachen wissen noch darum. Doch wir müssen uns beeilen, die Zeit wird langsam knapp.«
»Ari? Ari Schattenherz!« Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber sie klang sehr weit entfernt. Sie spürte, wie sie fortgezogen wurde, weg von den Gestaden des »Stillen Meeres«. »Ich werde weggerissen!«, schrie Ari ängstlich.
»Keine Sorge, du erwachst nur, deine Freunde rufen nach dir.« Die Stimme des Hüters klang weich und warm und beruhigte die Enrai.
»Werden wir uns wiedersehen?«, fragte die Assassine mit leiser, müder Stimme.
»Wen willst du wiedersehen?« Sai sah verwundert auf Ari hinab. Er kniete neben ihr und strich ihr durch das silberweiße Haar.
»Niemanden. Ist schon gut. War wohl nur ein Traum.« Sie rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und setzte sich auf. »Wie lange habe ich geschlafen?«
Sai half ihr auf die
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