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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wunder
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Bedeutung ›groß‹ oder ›weiter‹ haben.«
    Yasden reihte die vier Übersetzungen aneinander. »Dann müsste der ganze Satz lauten: ›Besitz großer Zwerg des.‹ Tut mir leid, aber das ergibt keinen Sinn. Wenn man ein bisschen damit herumspielt und freier übersetzt, kommt man auf ›Der Besitz des großen Zwerges‹, aber auch das würde auf der Statue der Mutter Erde keinen Sinn ergeben.« Er schüttelte den Kopf und sah ratlos in die Runde.
    Auch die anderen wussten mit dem Ganzen nichts anzufangen. Eine gedrückte Stimmung machte sich breit. Ari war die Erste, die das Schweigen brach. »Ich schlage vor, dass wir uns jetzt ausruhen, um morgen frisch an die Sache heranzugehen.«
    Jeder nickte oder grummelte seine Zustimmung und der Kreis der Ratlosen löste sich auf. Eriel widmete sich wieder der goldenen Bodenkarte, Yasden und Sai übten sich im Kampf und Wolfgar machte sich ein Plätzchen zurecht, worauf er schlafen konnte. Ari überlegte, was sie nun tun konnte, und beschloss, es dem Nordmann gleichzutun. Sie raffte ihre Sachen zusammen und verzog sich unter einen weit ausladenden Baum, um zu schlafen. Mirx hatte genug von dem Fisch, den er nicht fangen konnte, und gesellte sich zu Ari. Der stolze Vogel steckte seinen Schnabel in sein Gefieder und begann, vor sich hinzudösen. Ari schmunzelte, denn sie wusste, dass der Falke sie bewachte und nie ganz einschlief, solange sie in der Nähe ruhte. Sie beobachtete Sai und Yasden noch bei ihren Kampfübungen. Als sie dem Vampir bei seinen Bewegungsabläufen zusah, bemerkte sie, wie stark ihre Gefühle für ihn waren. In ihr tobte eine regelrechte Schlacht, denn auf der einen Seite wollte sie mit ihm zusammen sein, ohne dass sie sich um irgendwelche Probleme Tiros kümmern mussten. Sie wollte einfach nur sie selbst sein und sich nicht für andere verbiegen müssen. Auf der anderen Seite hatte sie eine Verpflichtunggegenüber ihren Freunden und den Seelen ihres ermordeten Volkes übernommen. Sie überlegte, wie völlig untypisch ihre Gedanken und Gefühle für eine Assassine ihres Schlages waren. Ihre Aufgabe bestand seit jeher darin, schnell und heimlich zu töten und sich keine Sorgen um andere zu machen. Manchmal haderte sie mit sich selbst, ob das der richtige Weg – ihre Bestimmung – war. Sie wischte diese dunklen Gedanken beiseite und rief sich angenehmere Bilder vor Augen. Während sie sich einer Fantasie hingab, in der Sai und sie durchbrannten, wurde sie schläfrig und nickte vollends ein.
    Ari befand sich wieder an dem Ort, an dem sie bereits so unzählige Male zuvor gewesen war und den sie genau kannte. Hardak – die Stätte des Untergangs der Dunklen. Sie stand mitten auf dem nächtlichen Schlachtfeld, die Toten starrten sie aus trüben, vorwurfsvollen Augen an. Überall lagen Leichen oder Tierkadaver herum, teilweise völlig entstellt und zerfetzt. Der Himmel war pechschwarz. Zerrissene Standarten steckten in der Erde und ein nach Fäulnis und Verderben riechender Windhauch spielte in ihren Haaren. Sie wanderte vorsichtig über den ehemaligen Kampfplatz, kein Laut war zu hören. Die Toten schienen sie mit ihren milchigen Augen zu verfolgen. Sie klagten die Überlebende an. Ihr Herz wurde schwer. Sie hörte die Stimmen, die im Wind trieben. »Warum tust du nichts? Warum hilfst du uns nicht? Warum lebst du und wir mussten hier sterben? Warum tut es so weh?« Sie rannte. Sie musste diesen Ort verlassen, aber das war unmöglich, das wusste sie. Völlig außer Atem blieb sie vor einem gewaltigen Leichenberg stehen. Viele bekannte Gesichter starrten ihr blutverschmiert und von Dreck verkrustet entgegen. Oben auf dem Hügel der auf ewig Verdammten erkannte sie Arobar, den letzten Hochfürsten der Enrai, auch sein Körper war grausam entstellt, aber in seinem Gesicht konnte sie keine Anklage erkennen, sondern nur die Bitte um Erlösung und Frieden. Ari wusste nicht, was sie tun sollte, der Schmerz und die Schuld drohten sie zu überwältigen. So fiel sie auf die Knie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte bitterlich – wie fast jede Nacht.
    »Warum kommst du immer wieder an diesen Ort?« Ari schreckte hoch. Diese Stimme hörte sie in all den Wintern das erste Mal. Sie stand auf und sah sich um, dabei wischte sie sich die Tränen aus den Augen, um den salzigen Schleier zu zerreißen, der ihr die Sicht nahm. Sie erkannte eine Gestalt, die auf einem Hügel in der Nähe stand. Eine lange, schwarz-rote Robe schmückte sie. Die Kapuze war weit ins

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