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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wunder
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Gesicht gezogen, sodass Ari nur schwarze Leere sehen konnte. Die Arme hingen am Körper herab, doch die Ärmel waren so lang, dass die Hände des Fremden darin versteckt waren. Er stand einfach da und schien auf etwas zu warten.
    Ari wollte es eigentlich nicht, aber es platzte aus ihr heraus: »Was willstdu an diesem Ort? Er ist mein Gefängnis und letztlich auch mein Grab. Geh weg!«
    Der Kuttenträger schüttelte den Kopf. »Du musst wahrlich sehr verletzt und verbittert sein. Deine Wunde ist wohl die schwerste, die auf diesem Schlachtfeld zugefügt wurde.«
    Ari ging unwillkürlich auf die Gestalt zu. Sie merkte, wie sich bei seinen Worten ihre Augen wieder mit Tränen füllten. »Wer bist du?«, stammelte sie ihm entgegen.
    Der Berobte machte eine Geste, zu ihm zu kommen. Er wartete geduldig, während die Assassine sich durch die dicht an dicht liegenden Leichen kämpfte. Schließlich stand sie vor ihm. Sie blickte in die Öffnung seiner Kapuze, konnte aber außer einer tiefen Schwärze nichts erkennen. Nicht einmal ein feiner Umriss war auszumachen, da war einfach … nichts. Dennoch hörte sie den Unbekannten sprechen. »Dein Volk nannte mich einst ›den Hüter‹, aber ich bin noch unter vielen anderen Namen bekannt, ›der schwarze Läufer‹, ›das graue Nichts‹, ›der Bote‹ und manch andere. Such dir einen aus oder erfinde einfach einen neuen, es spielt keine Rolle.«
    Ari umrundete den geheimnisvollen Fremden, während sie antwortete. »Nun, wenn dich mein Volk Hüter genannt hat, dann werde ich das auch tun.«
    Die Gestalt nickte zufrieden. »Ich sehe, du bist eine Frau voller Traditionen. Lass uns ein Stück gehen.« Er drehte sich um und schritt bedächtig voran.
    Ari gesellte sich an seine Seite. »Wie kannst du in meinem Traum erscheinen, wenn ich dich gar nicht kenne?« Die Dunkle meinte ein leises Kichern zu hören.
    »Du hast mich gerufen und ich bin gekommen.«
    »Ich soll dich gerufen haben? Was willst du von mir?«
    Der Hüter blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Du willst etwas von mir, nicht ich von dir. Sollten wir unser Gespräch nicht in einer angenehmeren Umgebung fortsetzen?«
    Ari sah in die Schwärze, wo sie seine Augen vermutete: »Ich kann diesen Ort nicht verlassen. Seit dem Abend der Schlacht komme ich jede Nacht hierher. Ich habe vergessen, ob und wie ich ihn verlassen kann.« Ihre Stimme brach.
    Lächelte ihr Gegenüber? Seine Worte taten es, sie waren sanft und freundlich. »Dies hier ist entweder dein Traum oder dein Gefängnis, die Entscheidung liegt bei dir. Wo möchtest du hingehen?«
    Die Enrai überlegte kurz, dann hellten sich ihre Gesichtszüge auf und ein Strahlen legte sich über ihr hübsches Gesicht. »Ich möchte an das ›Stille Meer‹, das habe ich als Kind sehr geliebt.«
    »Dann bring uns dorthin, es ist nur einen Gedanken entfernt. Verlasse dieses Gefängnis, hier findest du nur die Toten und die Vergangenheit. Duhast dir selbst dein höchstes Gut genommen – deine Freiheit. Kehre in die Gegenwart zurück, um deinen Weg zu Ende zu gehen und das eigentliche Ziel zu erreichen. Schließe nun die Augen und denke fest an den Ort, an den du möchtest.« Ari tat, wie ihr geheißen. Sie spürte erst keine Veränderung, dann roch sie salzige Meeresluft. Sie öffnete die Augen und erblickte den Ort ihrer Kindheit wieder. Die beiden standen in einer großen Höhle an einem schwarzen Sandstrand. Man konnte die riesigen Ausmaße dieses unterirdischen Meeres nur erahnen. Die Decke war nicht zu erkennen, sie lag in einem weißen Dunstschleier verborgen. Nur dort, wo die großen, Licht spendenden Kristalle wuchsen, konnte man erahnen, wo das obere Ende dieser natürlichen Kathedrale war. Die linken und rechten Begrenzungen waren überhaupt nicht auszumachen. Das Wasser des unterirdischen Meeres brandete an den Strand. Mitten im Wasser, zum Teil aber auch am Strand standen vereinzelte Säulen, die so dick waren, dass manche zu Festungen ausgebaut waren, bei genauerer Betrachtung wirkten sie kalt und leblos.
    Dieser Ort war unberührt, er gehörte Ari ganz alleine. Hin und wieder tauchte eines der Meeresungeheuer auf und schnellte aus dem Wasser oder peitschte mit seinen langen Tentakeln. Alles hier war lebensfeindlich, groß, gefährlich und meistens auch giftig, aber für die Dunklen war dieser Ort heilig. Hier waren sie ungestört und konnten sich im Kampf oder in den magischen Fertigkeiten üben, um sie zu perfektionieren. Ari sog die Luft ganz tief in sich ein.

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