Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
Raumes zu begeben. Sie tat, wie ihr geheißen, und stellte sich in die Nähe der Opferschale. Nun schob der Drache seinen gewaltigen Körper vollends auf die große Plattform. Er musste sich in einem Halbkreis um das Plateau legen, damit seine ganze Gestalt Platz fand. Nun schlug er seine Vorderklauen übereinander und legte den Kopf ein wenig schief. Ari drehte sich in seine Richtung und hörte wieder die angenehme Stimme in ihren Gedanken.
»Ich bin Mandrax, die jungen Völker zählen mich zu den ›Altehrwürdigen‹. Ich bin einer der ersten Drachen, die das Privileg genossen, auf Tiro wandelnzu dürfen, aber heute leider auch der Letzte meiner Art. Alle anderen wurden in Kriegen getötet oder von den Völkern gejagt und vernichtet. Die Drachen, die du und deinesgleichen heute kennt, sind unsere Nachfahren, durch verschiedene Einflüsse meist leider degeneriert. Einige denken durchaus und besitzen auch noch große Macht, aber die große Masse kommt bedauerlicherweise nach den Lindwürmern. Sie werden nur noch von ihren Instinkten getrieben. Ja, unsere Zeiten sind schon lange vorbei und sie werden auch nicht wiederkehren. Einst waren wir die Hüter und Beschützer Tiros, bis zu dem Tage, an dem wir getrieben durch unbändigen Neid und grenzenlose Gier Narrond erschufen. Damit besiegelten wir unwissentlich unseren eigenen Untergang.«
Der Schwanz des Drachen zuckte hin und her, immer wieder spannten sich die gewaltigen Muskelstränge. Als Mandrax merkte, dass Ari deswegen unruhig wurde, erklärte er ihr, dass er dadurch seine Gelenke lockerte, die noch hart von dem langen Schlaf waren. Ari wurde ein wenig ruhiger, aber wohl war ihr in der Gesellschaft eines einstigen Erzfeindes trotzdem nicht. Wieder vernahm sie die Gedanken des Drachen. »Du musst deine Fragen nicht stellen, dein Geist ist für mich wie ein offenes Buch. Ich werde versuchen, sie alle nach und nach zu beantworten.« Mandrax schwieg für eine Weile, als er die Erinnerungen der Dunklen studierte. Schließlich lag Melancholie in seinem Blick. »Es tut mir sehr leid, was deinem Volk widerfahren ist, aber gräme dich nicht. Ich werde dir einen Weg zeigen, die Seelen deines Volkes vor der endgültigen Vernichtung zu bewahren. Argo wird dir dabei helfen. Doch ich sehe noch mehr. Narrond hat sich selbst überschätzt und nun seinen Meister in den Menschen gefunden. Deren Gier scheint größer zu sein als selbst die meines gesamten Geschlechtes.«
Noch eine ganze Weile unterhielten sich Mandrax und Ari miteinander. Die Dunkle stellte fest, dass sie den Drachen sogar irgendwie mochte. Er hatte einen interessanten Sinn für Humor. Die Stunden vergingen und sie verbrachten die Zeit damit, über den Krieg und das Wesen der verschiedenen Völker zu philosophieren. Sie sprachen sogar über die frische Liebe zwischen Ari und Sai und darüber, was dessen Volk, die Drakter, einstmals an den Rand der Auslöschung gebracht hatte. Mandrax erklärte der Assassine, dass er mit den Rubinfalken ein Gegengewicht zu Narronds Wahnsinn hatte schaffen wollen und wie der Orden eine Heimat für diejenigen wurde, die der Gier und der Sucht nach Macht abgeschworen hatten.
Langsam spürte Ari, wie sich ihr Verständnis für Tiro und seine Geschöpfe veränderte, als uralte Geheimnisse ihren Geist und ihre Seele berührten. Zuversicht wuchs in ihr und sie wollte das Richtige tun: ihre ganze Kraft in die Vernichtung Anzbachers und Narronds legen. Überzeugt wurde sieaber endgültig, als Mandrax ihr erklärte, wie die Seelen ihres Volkes mithilfe von Argos Magie gerettet werden konnten und dass dieser das Ritual dafür bereits vorbereitete. Wäre der Drache nicht so riesig gewesen, hätte sie ihn umarmt. Als Mandrax das spürte, spiegelte sich Heiterkeit in seinen Augen und er hielt ihr schelmisch seine Schwanzspitze hin, die sie auch prompt fest umklammerte. Beide lachten schallend, doch mit einem Mal wurde der alte Drache ernst und seine Pupillen verengten sich zu Schlitzen. Er kniff die Lider zusammen, sodass seine Augen sich zu schmalen Linien formten. »Ari, ich habe in der hintersten Ecke deines Geistes gerade etwas entdeckt, was mir Sorgen bereitet.«
Die Dunkle erschrak. »Was könnte einem Wesen wie dir Sorge bereiten?«
»Du hast den Fluchträger getroffen.« Ari schaute nur verdutzt. Mit dieser Bezeichnung konnte sie nichts anfangen. Der Drache merkte dies und präzisierte seine Aussage. »Er hat sich dir als Hüter vorgestellt. In gewisser Weise ist das sogar richtig,
Weitere Kostenlose Bücher