Assassini
hatte bereits all das alte Zeug über die Assassini ausgegraben – welche Aufgaben sie wahrgenommen hatten und für wen. Und das heute, zu einer Zeit, in der Skandale um kirchliche Banken und Investitionen und potentielle Kirchenspaltungen und Schismen fast an der Tagesordnung waren. Und Elizabeth glaubte offenbar schon, zwei und zwei zusammenzählen zu können: acht Mordopfer und diese Assassini -Geschichte. Und dann? Nach dem Verlauf der Dinge zu urteilen, schien sie den Tod geradezu herauszufordern – und genau das wollte Sandanato verhindern. Die Kirche konnte es sich nicht erlauben, eine Persönlichkeit wie Elizabeth zu verlieren. Abgesehen davon gab es noch all die anderen Gefühle ihr gegenüber, die Sandanato so sorgfältig in seinem Innern verschloß und die ihm dennoch zunehmend Unbehagen und Sorgen bereiteten.
Und dann gab es noch ein weiteres Problem. Ben Driskill.
Bevor er sein Büro im Vatikan verlassen hatte, um an dem Abendessen in der Wohnung des Kardinals teilzunehmen, hatte er einen Anruf von Father Dunn aus New York erhalten. Dunn hatte sich erkundigt, ob Sandanato irgend etwas über Ben Driskill und dessen Reiseroute zu Ohren gekommen sei.
»Nein«, hatte Sandanato schroff und ungeduldig erwidert, »und ich möchte Ihnen hiermit sagen, daß ich nicht die Absicht habe, meine Zeit damit zu verschwenden, mir über Driskill den Kopf zu zerbrechen. Wir haben schon genug Ärger, auch ohne diesen Mann, der in Ägypten Leuten auf die Nerven geht, von denen er annimmt, daß sie etwas mit dem Mord an seiner Schwester zu tun haben könnten. Dieser Driskill muß lebensmüde sein! Er hat eine zwei Wochen alte und zwei Fuß lange Messerwunde im Rücken -Father, ist der Mann verrückt? Kann er denn nicht begreifen, daß das eine kirchliche Angelegenheit ist? Warum kann er es nicht der Kirche überlassen, diese Sache in die Hand zu nehmen?«
»Hat sie das denn? Und wenn – wie? Diese Frage würde ich mir an Ihrer Stelle mal stellen.« Dunn kicherte, was Sandanatos Abneigung und Zorn noch steigerte. »Und lassen Sie sich eins gesagt sein – Ben Driskill schert sich einen Dreck darum, wie die Kirche ihre Probleme regelt. Zumindest, wenn dies auf die übliche Weise geschieht. Er ist vermögend, er ist streitlustig, er ist zu allem entschlossen und geht seinen eigenen Weg, wie die Driskills es schon immer getan haben. Und er ist nicht bloß hartnäckig, er ist in gewisser Weise erbarmungslos gegen sich selbst und andere. Ich habe ein paar Erkundigungen über ihn eingeholt und kann mir allmählich ein Bild von diesem Burschen machen – soll ich Ihnen sagen, was ich glaube? Ich glaube, daß er selbst zu einem Mord fähig ist. Falls Sie sich also Sorgen um Driskill machen, dann möchte ich Ihnen den Rat geben, sich so langsam auch um die anderen Herrschaften Sorgen zu machen.«
»Soll das heißen, er ist durch nichts mehr aufzuhalten, er ist gewissermaßen außer Kontrolle geraten, und wir können nichts dagegen unternehmen?«
»Mir scheint, Sie haben es erfaßt, Monsignore«, »Dann, fürchte ich«, sagte Sandanato kühl, »wird Driskill den Tod finden – ungeachtet Ihrer persönlichen Meinung, Father.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin genauso besorgt um ihn wie Sie. Das ist auch der Grund meines Anrufs. Ich wollte mich erkundigen, ob Sie irgend etwas von ihm oder über ihn gehört haben.«
»Das ist nicht der Fall, wie ich schon sagte. Und Sie bleiben dabei? Er ist nicht mehr aufzuhalten?« Dunn kicherte trocken. »Von mir jedenfalls nicht.«
»Was können wir Ihrer Meinung nach tun, Father?«
»Vielleicht sollten wir’s mal mit Beten versuchen, mein Freund.«
In seiner spartanisch eingerichteten Wohnung, die weniger als zehn Gehminuten von der Porta St. Anna entfernt lag, setzte Sandanato sich an einen kleinen, wackligen Tisch am Fenster und blickte auf die stille Straße hinunter, die zwei Stockwerke tiefer am Haus vorbeiführte. Er schenkte sich einen Glenfiddich ein und ließ ihn nachdenklich im Glas kreisen. Er hatte vor vielen Jahren ein Seminar in Glasgow besucht und hatte bei dieser Gelegenheit die Single-Malt-Whiskys kennengelernt. Italiener waren normalerweise keine Scotchtrinker, schon da der Whisky für die meisten zu teuer war, aber das stellte für einen vatikanischen Monsignore kein Problem dar. Der Glenfiddich war einer der wenigen weltlichen Genüsse, die Sandanato sich gönnte. Er spürte, wie sich die wohlige Wärme in seinem Magen ausbreitete und wie schon der erste
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