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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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sich selbst ob dieser Gedanken! Es war absurd, was er sich da zusammenreimte. Val war ermordet worden, Elizabeth war nach Princeton geflogen – und er ging sofort davon aus, daß sie mit Driskill ins Bett gestiegen war. Eine pubertäre Phantasievorstellung, mein lieber Pietro. Die widersinnige Furcht und Eifersucht eines einsamen Mannes, eines Priesters -der eine verrückte Hinwendung, nein, Vernarrtheit zu einer Nonne entwickelt hatte, die kaum wußte, daß es ihn gab, die ihn kaum zur Kenntnis nahm.
    Und dennoch. Sie, nur sie konnte diese Last von ihm nehmen, ihn von diesen quälenden Zweifeln befreien. Aber er konnte sie ja schlecht fragen, ob sie mit Driskill … Und doch mußte er wissen, ob sie ihrem Leben – und seinem – wirklich und wahrhaftig den Sinn gegeben hatte, wie die Kirche es von ihr erwartete. Er wollte ihr vertrauen können. Er brauchte ihre Hilfe, um aus dem finsteren Kerker seiner trostlosen Einsamkeit entfliehen zu können.
    Aber war sie noch achtbar? Unbefleckt?
    Allein die Frage war häßlich, aber er konnte sie nicht wegleugnen.
    Schließlich konnte er seiner inneren Unruhe keinen Widerstand mehr entgegensetzen.
    Er zog das Telefon heran, nahm den Hörer auf, wählte ihre Nummer und wartete, während es am anderen Ende der Leitung läutete und läutete …
    Father Artie Dunn stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinunter auf die Carnegie Hall, die siebenundfünfzigste Straße und den südlichen Central Park, die unter der tristen Decke des Morgennebels lagen. Die Bäume im Park waren blattlos und kahl, die Teiche bleigrau, und hin und wieder flatterten braune und graue Enten mit hektischen Flügelschlägen empor oder landeten im Schilf. Er seufzte, nahm den Feldstecher von den Augen und goß sich eine weitere Tasse Kaffee aus der Thermoskanne auf seinem Schreibtisch ein. Er hatte nur etwa drei Stunden geschlafen und gähnte übernächtigt. Auf Schreibtisch und Beistelltisch lagen Dutzende von handbeschriebenen Seiten; Notizen über die ›Driskill-Affäre‹. Theorien. Gedanken. Querverbindungen. Die Driskills waren überall. Allgegenwärtig. Was für eine außergewöhnliche Familie!
    Die ganze Geschichte war außergewöhnlich, gleichermaßen erschreckend wie faszinierend, und übertraf in ihrer Komplexität bei weitem jeden Roman, den er bisher geschrieben hatte. Er bekam das alles einfach nicht in den Griff. Da war, zum Beispiel, diese wilde Schauergeschichte, die Schwester Mary Angelina ihm erzählt hatte, diese alte Nonne mit den großen Augen und den feinen, zarten Gesichtszügen, die man in der Sicherheit und Abgeschiedenheit des Nonnenklosters versteckt hatte – der letzten Station ihres Lebenswegs. Sie hatte ihm diese alte Geschichte ruhig und distanziert dargelegt – na ja, mehr oder weniger ruhig –, eine Geschichte, die sie seit fast einem halben Jahrhundert mit sich herumgetragen hatte. Er hatte sich bei ihr bedankt und war gegangen, nachdem sie geendet hatte. Was hätte er auch sagen sollen? Aber die Frage war: Konnte er ihr glauben oder nicht? Sie machte zwar nicht den Eindruck, schon verkalkt zu sein, aber man konnte ja nie wissen. Denn wie, in Gottes Namen, brachte ein Mensch es fertig, ein solches Geheimnis so lange mit sich herumzuschleppen, um es dann einem Wildfremden wie auf einem silbernen Tablett zu servieren? Er hatte nicht gewußt, was er von der ganzen Angelegenheit halten sollte, darum hatte er sich bei der Schwester bedankt, war losgefahren und hatte in Princeton erst mal Station gemacht und sich im Nassau Inn, wo die ganze verflixte Sache vor etwa einem Monat in dieser gräßlichen Nacht ihren Anfang genommen hatte, einen Hamburger genehmigt. Und dort war er zu der Überzeugung gelangt, daß er sich Gewißheit verschaffen mußte, ob Mary Angelinas Geschichte der Wahrheit entsprach. Was aber nicht so einfach sein würde, denn Mary Driskill war schon lange tot und Father Governeau noch länger. Und er konnte wohl kaum in Hugh Driskills Krankenzimmer hereinplatzen und ihm von Schwester Mary Angelinas Zeitreise in die Vergangenheit berichten, ohne daß die Gefahr bestand, dem Mann einen zweiten Infarkt zu bescheren. Also. Welche anderen Möglichkeiten gab es? Es mußte einen Weg geben.
    Als er nach New York zurückkehrte, war es dunkel und kalt gewesen, und er hatte sich darangemacht und versucht, die Geschichte von Father Governeaus Tod in das ohnehin noch unfertige, verzerrte Gesamtbild einzufügen, das er mühsam erstellt hatte. Es hatte sich

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