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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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in der Schwebe. Wie sieht das Muster aus, Giacomo, das Schema, der übergeordnete Plan? Warum diese acht?«
    Kardinal D’Ambrizzi schüttelte den Kopf.
    Calixtus blickte aus dem Fenster auf die vom Mondlicht beschienenen vatikanischen Gärten. »Fürchten Sie sich vor dem Tod?«
    »Ich kannte mal eine Frau, die jung sterben mußte. Wir unterhielten uns darüber, was sie wohl im Jenseits erwarten mochte. Sie hat mich getröstet, Heiligkeit. Sie nahm meine Hand und sagte mir, ich müsse ihr glauben, daß man den Tod als seinen letzten, besten Freund betrachte, wenn er sich nähert. Ich habe diese Worte nie vergessen.«
    »Das sind Worte, die einer Heiligen würdig sind. Diese Frau, wenn auch jung, muß weise gewesen sein. Warum bin ich es nicht?«
    Der Papst erhob sich langsam und stand gedankenverloren im Zimmer, verloren im Labyrinth der Erinnerungen an eine andere Zeit. Der Kardinal legte dem kleineren Mann den Arm um die Schultern und führte ihn ans Fenster, wo sie beide in den Nachthimmel blickten. Es bedurfte keiner Worte mehr. Unter ihnen, in der erhabenen Stille der Gärten, ging ein einsamer Priester über die Fußwege, mal in den Schatten, dann wieder geisterhaft im bleichen Mondlicht; in der einen Sekunde dort, in der nächsten hier, wie ein Phantom, wie ein Mörder …
    Als er wieder im Bett lag, drehten sich Calixtus’ Gedanken unablässig, hartnäckig, ruhelos um Ereignisse aus der Vergangenheit, als wäre sie wie ein Magnet, dessen Anziehungskraft zu groß war, als daß seine verzweifelten Bemühungen Erfolg haben könnten, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Paris, immer wieder war es Paris, und nun brachen die Dämme, und die aufgestauten Erinnerungen überfluteten seinen Geist. Über viele, sehr viele Jahre hinweg hatte er sie zurückdrängen können, hatte es irgendwie geschafft, sich das Eingeständnis zu verweigern, daß diese Dinge tatsächlich geschehen waren, damals in Paris. Er hatte die Vergangenheit schlichtweg zu ignorieren versucht, doch nun brach sie sich gewaltsam Bahn, und alles, alles war wieder da, die Tage und Nächte und die Ängste und Sorgen und die Kameradschaft und der Mut und der Verrat – das alles erschien wie eine magische Schrift vor seinem geistigen Auge. Er fragte sich, ob die anderen hatten vergessen können. Hatte D’Ambrizzi vergessen? Und der alte Bischof Torricelli? Hatte auch er alles, was geschehen war, nur so lange zurückdrängen können, bis er auf dem Totenbett gelegen hatte wie jetzt er? Und wie mochte es bei dem spröden, hageren, asketischen Mann aus Rom aussehen, der damals an die Tür von Sal di Monas Wohnung in Paris geklopft hatte, dieser Mann, in dessen Augen sich Zorn und der heiße Wunsch nach Bestrafung gespiegelt hatten. Indelicato, der Inquisitor – konnte auch er sich erinnern oder nicht, jetzt, wo er nur noch einen winzigen Schritt vom Thron des Petrus entfernt stand?
    Er wälzte sich unruhig im Bett hin und her, wehrte sich noch immer gegen den Ansturm der Bilder … und dann war sie wieder da, jene Szene, die sich an einem Winterabend auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche abgespielt hatte, und Sal di Mona kauerte wieder zitternd vor Angst und Kälte hinter dem schwarzen schmiedeeisernen Zaun. Sie waren drei Mann gewesen, er und Bruder Leo und der hochgewachsene blonde Priester, und sie hatten beobachtet, wie auf dem winzigen Friedhof mit den uralten Grabsteinen, die krumm und schief aus dem Boden ragten, ein Mord geschah. Sie hatten den Atem angehalten und versucht, das Klappern der Zähne zu unterdrücken, und dann hatten sie gesehen, wie ein Priester einen anderen Priester tötete, jenen Mann, der sie alle verraten hatte, sie hatten gesehen, wie der eine Priester dem anderen mit bloßen Händen das Genick brach, und Sal di Mona hörte noch immer das Geräusch der berstenden Knochen …
     
    Auch Monsignore Sandanato hatte eine unruhige Nacht.
    Das Gespräch mit Elizabeth beim Abendessen hatte ihn zornig gemacht, doch er hatte versucht, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Was glaubte sie eigentlich, was sie da trieb? Wer hatte ihr die Erlaubnis erteilt, Schwester Valentines Arbeit zu Ende zu führen? Eine Arbeit, die Schwester Valentine das Leben gekostet hatte. Und sollte sie tatsächlich irgend etwas ans Tageslicht fördern – was hatte sie dann mit diesen Erkenntnissen vor? Sie hatte jetzt schon eine Verbindung zwischen den acht Opfern hergestellt, die die Kirche vor der Öffentlichkeit zu verbergen versucht hatte. Sie

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