Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
nur daran glauben könnte, daß alles wieder ins Lot kam.
    Er klopfte leise an eine Tür, doch laut genug, daß der Mann im dahinterliegenden Zimmer ihn hören konnte, sofern er noch nicht schlief.
    »Bitte, kommen Sie herein, Heiligkeit.« Die Stimme war rauh und tief.
    Calixtus öffnete die Tür und trat zögernd ein. »Ich habe Sie doch nicht geweckt, Giacomo?«
    »Nein, nein. Ich fürchte, zur Zeit bin ich ein Nachtschwärmer. Treten Sie ein, ich freue mich über Ihre Gesellschaft. Wenn wir ein bißchen plaudern, verfalle ich wenigstens nicht mehr ins Grübeln.«
    Zwischen den beiden Männern hatte nicht immer ein so freundschaftlich-vertrautes Verhältnis geherrscht. Jahre zuvor waren Giacomo und Salvatore Rivalen um den Papstthron gewesen, obgleich sie über dieses Thema nie ernsthaft miteinander gesprochen hatten. Zu viele Kardinäle waren damals der Meinung gewesen, D’Ambrizzi wäre zu wichtig für die Knochenarbeit, als daß er hätte Papst werden können … und dann war viel Geld in viele Taschen geflossen. Unersetzlich, hatten die Kardinäle gesagt, D’Ambrizzi wäre einfach unersetzlich, was man von Kardinal di Mona nicht behaupten könne. Das war damals die ›offizielle Version‹ gewesen. Jedenfalls hatte D’Ambrizzi die Zeichen richtig gedeutet und all seine Unterstützung dem jüngeren di Mona zukommen lassen. Ironie des Schicksals: Jetzt bestand durchaus die Möglichkeit, daß Calixtus’ Amt und Würden doch noch auf den Älteren, D’Ambrizzi, übergingen.
    »Haben Sie große Schmerzen?« D’Ambrizzis Gesicht lag im Halbschatten und wirkte finster, bedrohlich.
    »Es geht. Bevor ich zu Bett ging, habe ich ein wenig gebetet. Ungefähr eine Stunde später bin ich aufgewacht und habe über den Tod von Pius nachdenken müssen.«
    D’Ambrizzi lächelte. »Eine schwarze Komödie. Ein blasphemischer junger Bühnenautor könnte ein sehr lustiges Stück darüber schreiben.«
    »Was halten Sie grundsätzlich vom Beten, Giacomo?« Calixtus ließ sich vorsichtig in einen gepolsterten Sessel sinken.
    »Ich wüßte nicht, was schädlich daran sein könnte, wie unser Freund Indelicato es ausdrücken würde. Aber das Beten ist doch eigentlich gar nicht Ihre Art, nicht wahr? Was hat Sie dazu getrieben, Salvatore?«
    Seinen alten Namen zu hören, erfüllte Calixtus mit Freude. »Das, was den Menschen zuallererst zum Beten bringt. Angst. Diese Morde …« Er zuckte in einer Geste der Hilflosigkeit die Achseln. »Wo können wir den Hebel ansetzen? Wie können wir dem Morden ein Ende machen? Warum mußten diese Leute sterben? Warum? Das ist der entscheidende Punkt.« Er verlagerte das Körpergewicht, versuchte, eine bequemere Haltung einzunehmen. Die Schmerztablette begann zu wirken. D’Ambrizzi schwieg. Calixtus sagte nachdenklich: »Als ich Sie in Paris kennenlernte, waren Sie ein beinahe gewohnheitsmäßiger Aufrührer. Nein, bitte, lassen Sie mich ausreden. Genau das hat mir nämlich so sehr imponiert, wahrscheinlich, weil mir bewußt war, daß ich nie den Mut dazu aufgebracht hätte. Ich habe die Leute reden hören, habe mitbekommen, was man über Sie gesagt hat. Sie hatten Kontakte zur Resistance, Sie haben Juden aus Deutschland geschmuggelt und vor den Nazis versteckt …«
    »Nur mit Hilfe von Reichsmarschall Göring«, sagte D’Ambrizzi. »Seine Frau, diese Schauspielerin, hatte jüdisches Blut in den Adern …«
    »Sie haben die Flüchtlinge sogar in den Kohlenkellern unserer Kirchen versteckt!«
    »Nur hin und wieder, Salvatore.«
    »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Giacomo. Hatten Sie jemals Angst? Eine solche Angst, daß Sie sich nichts Schlimmeres vorstellen konnten? Und hat der Glaube Ihnen über diese Angst hinweggeholfen?«
    »Zunächst einmal – es gibt immer etwas Schlimmeres als das vermeintlich Schlimmste. Immer. Nun, auch ich hatte bisweilen Angst, sicher – aber auf meinen Glauben habe ich mich nie zu stützen brauchen, um diese Angst zu überwinden, Salvatore. Ich war immer zu sehr mit dem Problem beschäftigt, mich aus einer Klemme nach der anderen zu befreien. Angst … Mit dem Alter verblaßt natürlich die Erinnerung. Hatte ich jemals Angst? Wahrscheinlich war ich jung und stark genug zu glauben, daß ich unbesiegbar, unsterblich …«
    »Das ist lästerlich, Kardinal!«
    »Allerdings! Aber die geringste meiner Sünden. Denken Sie nur an den alten Pius und all seine Spritzen. Er hat alles versucht, einfach alles, um den Tod zu überlisten … Natürlich hatte ich Angst. Es

Weitere Kostenlose Bücher