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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Standpunkt.«
    »Und wie ist Ihrer?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Ach, hören Sie doch auf. Eure Bevormundung mag für euch ja eine schöne Sache sein, aber es ist ein schrecklicher Antagonismus. Frauen schreiben und denken und handeln und … verdammt noch mal, wir sind doch keine Menschen zweiter Klasse, auch nicht in der Kirche. Val findet heraus, daß Leute abgeschlachtet werden, und dann erwartet man von ihr, daß sie zum Herrn Lehrer rennt! Schon der Gedanke macht mich krank.«
    »Sie hat sich aber auch nicht an die Polizei gewandt – und müßten das Frauen nicht tun, die sich in der Rolle verantwortungsbewußter Bürger sehen? Aber Schwester Valentine hatte sich entschlossen, auf eigene Faust herauszufinden, was gespielt wurde. Und warum hat sie das getan? Weil sie Nonne war, weil sie Teil der Kirche war! Ich sehe gar keinen so großen Unterschied in dem, was sie getan hat und dem, was sie hätte tun sollen – zum Lehrer rennen, wie Sie es ausdrücken. Entweder wendet man sich an die Polizei – und öffnet ihr dabei sozusagen weit die kirchlichen Pforten für gewisse schmerzhafte und tiefgreifende Nachforschungen, oder man wendet sich an die geistliche Obrigkeit und beläßt die Angelegenheit in kirchlichen Händen. Natürlich hat Schwester Valentine den zweiten Weg gewählt. Aber sie hätte sich jemandem mit Einfluß anvertrauen müssen. Zumindest ihren Ordensoberen -auch diese hätten gewußt, was zu tun ist.« Sandanato beugte sich vor. »Ich glaube, ich kann Ihren Standpunkt nachvollziehen, Schwester, aber er reicht nicht tief genug, ist nicht umfassend genug – die Kirche ist nicht die Welt. Die Welt ändert sich schneller. Was Schwester Val getan hat, beweist, daß sie den Unterschied zwischen Kirche und Welt gekannt hat. Wäre sie den Weg gegangen, den ich aufgezeigt habe, hätte sie die Hierarchie nicht übergangen, dann hätte sie nicht sterben müssen, hätte ihre Arbeit sogar fortsetzen können.«
    Er stand auf, strich sich mit den Fingern durch das regenfeuchte Haar. Sein durchnäßter Regenmantel lag über einer Stuhllehne. Er schüttelte den Kopf, hob die Hände in einer Geste der Ratlosigkeit, wagte nicht fortzufahren. Er befürchtete, dann weiter und weiter zu reden, nicht mehr enden zu können und dabei seine geheimsten Ängste und Träume preiszugeben. Und Elizabeth besaß die Fähigkeit, mit einem einzigen Satz, einer einzigen Bemerkung, völlig unerwartet ins Innere der Dinge vorzustoßen, selbst dann, wenn ihr dies nicht einmal bewußt war. Er brauchte Zeit, um nachzudenken, nur: Es schien nicht mehr genügend Zeit zu geben. Wieviel konnte er ihr anvertrauen? Wieviel konnte er riskieren?
    Sie beobachtete ihn, als er im Zimmer auf und ab ging, und sagte: »Wissen Sie, ich will ja gar nicht versuchen, Ihnen bei dieser Sache hereinzureden. Sie müssen Ihre Arbeit tun, und ich die meine, und das galt auch für Valentine. Jeder muß seine eigenen Entscheidungen treffen und bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.«
    »Ich weiß.« Er stand am Fenster, hatte ihr den Rücken zugekehrt und blickte hinunter auf die regennasse Via Veneto. »Sie sind eine hilfsbereite Freundin. Ich habe mich ihnen heute abend aufgedrängt, und es ist sehr nett von Ihnen, mir Ihre Zeit zu opfern. Wissen Sie, ich habe nur wenige Freunde, Schwester. Ich habe meine Arbeit, meine Vorgesetzten. Ich bin es nicht gewöhnt, mit Freunden zu verkehren – darum nutze ich Sie in gewisser Weise aus …«
    »Ach, Unsinn. Ich hatte den Eindruck, Sie und Ben Driskill kamen gut miteinander aus«, sagte sie. »Haben Sie irgend etwas von ihm gehört? Ich wollte, wir wüßten …«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, kein Wort. Er wird sich schon melden.« Er überging dieses Thema rasch. »Verstehen Sie denn nicht, Schwester? Meine einzigen Freunde – ach was, ich habe keine Freunde. Ich habe praktisch nur mit Menschen aus dem Vatikan zu tun. Und Sie wissen, daß der Vatikan ein von hierarchischer Autorität geprägter Ort ist, an dem selbst die sogenannten zwischenmenschlichen Beziehungen Zwängen und Regeln unterworfen sind. Um ehrlich zu sein, ich bin ein einsamer Mensch. Wir Geistlichen, wie auch immer wir uns nach außen hin geben mögen, sind zutiefst einsame Geschöpfe. Das gilt doch gewiß auch für Ordensschwestern wie Sie …«
    »Das sehe ich anders, um ehrlich zu sein. Viele Nonnen – und auch Priester – verkehren freundschaftlich und kollegial miteinander. Wie auf dem College. Hausgemachte Freunde, könnte man

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