Assassini
Antwort. Er ist voller Geheimnisse.« Sandanato erhob sich. »Nun, die Assassini mögen früher einmal ihren Zweck erfüllt haben – aber heutzutage? Wer vermag zu sagen, wozu die Probleme, die wir besprochen haben, die Kirche noch zwingen werden? Zur Anwendung welcher Mittel? Dies ist wahrlich das Herz der Finsternis, Schwester.«
Er streifte seinen Regenmantel über. Elizabeth half ihm hinein. Er hielt inne, als sie plötzlich einen Finger auf die Lippen legte und ihm bedeutete, der Rigoletto- Aufnahmezu lauschen.
Eine der schönsten Szenen hatte gerade begonnen, das Duett von Rigoletto und Sparafucile. Die Melodie war melancholisch, ernst, düster, aber stimmungsvoll: nur zwei Bässe, begleitet von einem einzelnen Cello.
Sparafucile gibt Rigoletto eine Beschreibung seiner Person.
Ich, der für einen kleinen Lohn befreit Euch von dem Feinde - den Ihr wohl habt.
Sparafucile zieht sein Schwert aus der Scheide …
Dies ist mein Werkzeug. Darf ich Euch zu Diensten sein?
Sparafucile war einer der Assassini.
Der Schmerz kam in der Dunkelheit der Nacht über Papst Calixtus, wie so oft. Er raffte sich auf, stieg aus dem Bett und ging im Schlafzimmer auf und ab; der Schweiß lief ihm übers Gesicht; er biß gepeinigt die Zähne aufeinander und wartete verzweifelt darauf, daß der Schmerz verebbte. Früher oder später, das wußte er, kam jene schwarze Stunde, da er vergebens auf Linderung wartete – und dann würde schnell das Ende kommen. Aber, fragte er sich, konnte er so lange durchhalten, bis das Schicksal sein grausames Urteil vollstreckt hatte?
Dann ließen die Schmerzen endlich nach, und Calixtus entspannte langsam die verkrampften Muskeln, noch immer von der Furcht erfüllt, der Schmerz könnte zurückkehren, würde ihn nur zum Narren halten. Er blieb an seinem Schreibtisch stehen, nahm den kostbaren florentinischen Dolch in die Hand, den ihm Kardinal Indelicato anläßlich seiner Erhebung auf den Thron des heiligen Petrus geschenkt hatte, und betrachtete ihn. Calixtus hatte den Dolch zweckentfremdet und als Brieföffner benützt, und nun, da er die meiste Zeit in seinem Schlafgemach verbrachte, hatte das wertvolle Stück ihn hierher an seinen kleinen, behelfsmäßigen Schreibtisch begleitet. Eine wundervoll gearbeitete Antiquität aus Gold und Stahl, sehr alt. Er betrachtete die im matten Licht der Lampe über dem Tisch schimmernde Klinge. Er sah sein verzerrtes Spiegelbild darauf und fragte sich, wie viele Männer durch diesen Dolch wohl schon den Tod gefunden hatten.
Als der Schmerz völlig nachgelassen hatte, rieb er sich über die Augen; dann nahm er das Handtuch, das am Fußende des Bettes lag, und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Er legte sich vorsichtig nieder und wartete darauf, daß Erschöpfung und Müdigkeit ihn wieder einschlafen ließen. Er wußte, daß ihm eine sehr lange Wartezeit bevorstehen konnte. Erst jetzt stellte er überrascht fest, daß er noch immer den Dolch in der Faust hielt. So etwas passierte ihm in letzter Zeit immer häufiger – er konnte sich nicht mehr erinnern, was er noch Augenblicke zuvor getan hatte. Wieder betrachtete er ihn, dachte daran zurück, wie Indelicato ihm erzählt hatte, daß der Dolch schon sehr, sehr lange im Besitz seiner Familie gewesen sei, seit Jahrhunderten, und daß dieses kostbare Stück Mut und Rücksichtslosigkeit verkörpere – beides Eigenschaften, die er brauchen würde, nun, da seine Existenz als Kardinal di Mona erloschen und Papst Calixtus geboren sei.
Er dachte in letzter Zeit ohnehin mehr und mehr an Kardinal Indelicato, daran, daß dieser Mann im KGB oder in der CIA oder im MI5 besser aufgehoben wäre oder – er lächelte schmerzlich bei der Erinnerung an diese Zeit – bei der Gestapo. Indelicato brachte alle Eigenschaften mit, die man brauchte, um es in einer solchen Organisation bis ganz nach oben zu bringen; es lag Indelicato im Blut, es entsprach seinem Charakter, seinem ganzen Wesen. Und jetzt ließ er seinen alten Feind D’Ambrizzi bespitzeln. Weiß Giacomo eigentlich, daß er unter ständiger Beobachtung steht, fragte sich Calixtus. Er mußte zugeben, daß Indelicato von seinen Gefolgsleuten erstklassige Informationen in die Hand gespielt wurden. Der gute Manfredi kannte D’Ambrizzi schon sehr lange: Es war mit Sicherheit Indelicato, der hinter dieser Bespitzelung steckte, und kein anderer. Doch wer blieb da noch, Indelicato seinerseits überwachen zu lassen? Der Papst ließ seinen Gedanken freien Lauf.
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