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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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dann besteht doch die Möglichkeit, daß die Kirche sich durch diese Morde selbst zu reinigen versucht. Die Möglichkeit. Das wäre doch denkbar, Schwester, nicht wahr?«
    »Rein theoretisch«, sagte sie kühl, »könnte die Kirche solche Maßnahmen als Selbstschutz sanktionieren. Theoretisch betrachtet. Als abstrakter Gedanke. Aber Sie haben diese Theorie zu einer Absurdität reduziert.«
    »Habe ich das? Sind Sie sicher?«
    »In der Realität, in der Welt, wäre es an Abscheulichkeit nicht zu überbieten …«
    »Aber die Kirche ist nicht die Welt.«
    »Aber wie könnte denn die Ermordung dieser Menschen – die Ermordung Vals und Curtis Lockhardts – die Kirche reinigen?
    Dieser Gedanke ist geradezu krankhaft, da müssen Sie mir zustimmen, Monsignore.«
    »Ja, ja, es wäre gräßlich, gewiß. Aber ich frage mich trotzdem: Falls die Mörder aus kirchlichen Kreisen kommen, in kirchlichem Auftrag handeln, und wenn die Morde von Männern abgesegnet werden, die die Kirche über alles andere stellen – handeln diese Männer dann nicht nach ihrem Verständnis gerechtfertigt?« Seine Augen brannten. Er spürte den Schweiß auf der Stirn, das wütende Fieber in den Adern, das ihn vorantrieb, nach Antworten suchen ließ.
    Elizabeth schüttelte heftig den Kopf. »Das ist völlig absurd. Das wäre moralisch einfach nicht zu vertreten. Nicht der Mord an Schwester Val. Nicht sie … wie können Sie an so etwas überhaupt denken?«
    »Ich muß gestehen, Schwester, daß diese Fragen auch mich quälen. Aber besteht nicht die Möglichkeit, daß diese Morde eine Art Buße darstellen, die wir nicht begreifen können, die aber Teil eines Planes sind, der zum Wohl der Kirche …«
    »Das könnte ich niemals begreifen! Außerdem wäre mir das scheißegal!«
    »Als Nonne müßten Sie wissen, daß man die Wahrheit nicht immer begreifen …«
    »Die Wahrheit? Die Morde sind die Wahrheit!« Elizabeth funkelte ihn zornig an. »Mir scheint, Sie wagen es nicht, die Wahrheit einzugestehen.«
    »So?« Er lächelte sie an, wischte sich über die Stirn.
    »Daß solche Dinge früher schon passiert sind. Die Selbstreinigung, die Buße, die Beseitigung von Andersdenkenden, Nonkonformisten, Unruhestiftern – alles zum Wohl der Kirche, natürlich.« Sie konnte die beißende Ironie in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
    »Nun, das war doch eher Schwester Valentines Gebiet, nicht wahr? Gewalt als politisches Mittel – dieses Thema hat sie fasziniert.«
    »Sie hat mit Ihnen darüber gesprochen?«
    Er nickte. »Das bedeutet aber nicht, daß Val es gutgeheißen hat«, sagte sie. »Weder Val noch ich hätten auch nur den Versuch unternommen, Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele zu rechtfertigen. Sie war Historikerin, keine Anwältin. Erst recht keine Advokatin des Teufels.«
    »Sie wissen sehr wohl, daß Schwester Valentine in gewisser Weise Advokatin gewesen ist. Sie hat Rechtsstandpunkte vertreten, die …«
    »Aber nicht solche!«
    »Dennoch. Ich frage mich … das moralische Dilemma muß ihr doch Kopfzerbrechen gemacht haben. Das Böse im Dienste des Guten.«
    »Ich halte das für einen vollkommen unergründlichen moralischen Widerspruch. Und mir fehlt die Weisheit, diesen Widerspruch zu klären.«
    »Aber Sie könnten eines Tages in die Situation geraten, diesen Widerspruch klären zu müssen. Begreifen Sie denn nicht? Sie folgen Valentines Fußstapfen, ihren Schatten, Sie setzen ihre Arbeit fort. Was geschieht, wenn Sie einmal vor derselben Wahl stehen, Schwester?«
    »Vor welcher Wahl?«
    »Wenn die Kirche, personifiziert durch den Mörder, Ihnen sagt: ›Geben Sie diese Arbeit auf, vergessen Sie, was Schwester Valentine getan hat – und leben Sie! Denn falls Sie weitermachen, wird man sich ihrer entledigen, zum Wohle der Kirche.‹ Dann müßten Sie sich entscheiden.«
    »Also, erstens einmal: Warum machen Sie mir angst?«
    »Damit Sie am Leben bleiben.«
    »Dann lassen Sie sich zweitens gesagt sein, daß ich versuchen werde, eine solche Konfrontation zu vermeiden.«
    »Ich verstehe, Schwester. Ich hoffe aufrichtig, daß Ihnen das gelingt. Aber meine Wünsche und Gebete könnten nicht genügen. Das Böse im Dienste des Guten – wird es dann nicht selbst zum Guten? Wir brauchten die Weisheit und den Scharfblick des Magus …«
    Sie lachte. »Sie meinen D’Ambrizzi, nicht?«
    »Magus«, wiederholte er. »Der Mann mit dem Januskopf, der sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit blicken kann. Vielleicht kennt er die

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