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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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erzählen, was wirklich passiert ist …«
     
    Eine weitere Nacht in dem kleinen, trostlosen, kahlen Zimmer mit dem schmalen Bett, dem Bücherschrank, den beiden alten Messinglampen; eine der Glühbirnen war schon seit zwei Monaten kaputt. Eine weitere Nacht allein in diesem Zimmer mit dem abgestandenen Geruch nach getragener Kleidung und Scotch. Der winzige Kühlschrank in der Kochnische brummte laut. Dichte Wolken von Zigarettenrauch hingen in der feuchten Luft. Die Fenster waren geöffnet. Der Regen prasselte unaufhörlich auf den Gehsteig der schmalen Straße; die Wassermassen strömten durch den Rinnstein in Richtung Tiber, verschwanden gluckernd und gurgelnd in den Gullys. Die ungepflegte Hure stand wie üblich im Türeingang auf der anderen Straßenseite; sie rauchte lustlos und ohne viel Hoffnung auf Kundschaft eine Zigarette.
    Monsignore Sandanato stand am Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit, doch mit den Gedanken war er ganz woanders. Er hatte D’Ambrizzis Büro heute erst spät verlassen, lange nachdem der Kardinal sich in seine Gemächer zurückgezogen hatte. Sandanato war durch den strömenden Regen müde in seine schäbige Wohnung zurückgekehrt, hatte aber nicht gewagt, sich hinzulegen, weil er sich vor dem fürchtete, das er vielleicht sehen mochte, wenn er die Augen schloß. Also hatte er, statt ins Bett zu gehen, eine Flasche Glenfiddich geöffnet, sein Glas gefüllt und den gewohnten Platz am Fenster eingenommen.
    Er wußte nicht mehr, wie oft er in Gedanken das Gespräch durchgegangen war, das er und D’Ambrizzi beim Abendessen in der Wohnung des Kardinals mit Elizabeth geführt hatten. Es ließ ihn einfach nicht los. Diese Theorie über die Morde, die Elizabeth auf der Grundlage von Schwester Valentines Entdeckungen entworfen hatte; ihre Theorie über die Identität des silberhaarigen Priesters, den Elizabeth für ›Simon‹ hielt. Und schließlich ihre Theorie, welche die Bedeutung der geheimnisvollen Wendung ›Pius-Verschwörung‹ erklären sollte, die in den Torricelli-Papieren aufgetaucht war – eine Verschwörung, die vom Papst selbst angezettelt worden war, indem er die Assassini als Helfershelfer der Deutschen im besetzten Paris wieder zum Leben erweckt hatte.
    Das alles hörte sich schlüssig an, zugegeben. Sie hatte es gründlich und gut durchdacht. Doch als er sie gefragt hatte, warum, aus welchem Grund jetzt und heute Menschen ermordet wurden, warum Val auf der Todesliste gestanden hatte und all die anderen, die sie ausfindig gemacht hatte – bei dieser Frage hatte sich Elizabeth nicht äußern wollen.
    Die Wahl des Papstes – was sonst könnte so viel Blutvergießen wert sein?
    Sandanato schenkte sich einen weiteren doppelten Scotch ein und seufzte. Er rieb sich die blutunterlaufenen Augen. Wohin führte das alles noch, und wo würde es enden? Er hatte das plötzliche Verlangen, die Wohnung zu verlassen: Irgendwie fühlte er sich auf der Straße sicherer, unter den Touristen, den Einheimischen, den vielen Priestern auf den Straßen Roms. Aber sicherer vor was? Vor den finsteren Abgründen seiner Psyche, wahrscheinlich.
    Selbst in den Mauern des Vatikans verspürte er zunehmend Furcht und Unsicherheit, seit die Probleme – die Morde, die Angst, die Unsicherheit und Verwirrung – sich wie Tentakel um das Herz der Kirche legten und sie zu ersticken drohten. Und was seine Wohnung betraf – er haßte ihren Geruch nach Einsamkeit und Schmerz, nach inneren Kämpfen und Trauer. Er verlor zunehmend die Orientierung. Er wünschte, einfach fortgehen und sich in eines der alten Klöster zurückziehen zu können, wo allein die Ordensregeln zählten, wo man wußte, was geschah und was es bedeutete …
    Doch er verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Später. Das hatte Zeit.
    Er riß sich aus seinen trüben Gedanken und griff zum Telefon.
    Als er die Stimme am anderen Ende der Leitung vernahm, erschauderte er.
    Schwester Elizabeth hatte noch gearbeitet, als Monsignore Sandanato sie anrief. Sicher, sagte sie, kommen Sie ruhig her, warum nicht. Aber sie gab ihm auch deutlich zu verstehen, daß sie für ein längeres Gespräch zu müde war.
    Er brauchte ihre Gesellschaft. Er brauchte sie so dringend, daß er sich nicht einmal für seinen späten Anruf entschuldigt hatte. Und nun saß er auf der Couch in ihrer Wohnung und beobachtete, wie sie es sich im Sessel bequem machte, das Glas Wein vom Couchtisch nahm, der unter Terminkalendern und Notizen und Aktenordnern erstickte, und einen

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