Assassini
Schwester Elizabeth zu ihrer Wohnung an der Via Veneto, nachdem sie kurz mit dem Mutterhaus des Ordens an der Spanischen Treppe telefoniert hatte. Driskill und Dunn hatten versucht, sie zu überreden, ihnen beim Abendessen im Hotel Hassler Gesellschaft zu leisten, aber Elizabeth hatte erwidert, sie sei zu müde und müsse sich außerdem erst im Ordenshaus zurückmelden. Die beiden hatten ihr nachgeschaut, als sie gegangen war, allein, und sie hatte ihre Blicke förmlich im Rücken gespürt. Elizabeth hatte auch den Vorschlag Driskills abgelehnt, sie gemeinsam mit Father Dunn in ihre Wohnung zu begleiten, um diese rasch zu durchsuchen – als Vorsichtsmaßnahme gegen einen möglichen erneuten Mordanschlag. Elizabeth wollte nichts davon wissen; sie wollte ihre Ruhe haben. Sie hatte bereits einen Mann getötet; sie würde auch einen weiteren töten, falls nötig: Elizabeth hatte versucht, ihre Stimme kühl und abweisend klingen zu lassen, als sie den beiden Männern dies erklärt hatte. Sie wußte, daß ihre Vorstellung lächerlich gewesen war, aber sie hatte ihren Zweck erfüllt, und das war die Hauptsache. Elizabeth legte weder Wert auf Driskills noch auf Dunns Gesellschaft.
Doch als sie schließlich allein im Flur vor der Wohnungstür stand, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Sie riß die Tür auf und knipste so schnell wie möglich das Licht an. Helles Licht, keine Schatten – darauf kam es ihr an. Und als sie hinüber zur Tür des Badezimmers ging, wußte sie, daß ein geruhsames Bad heute abend nicht in Frage kam. Kein entspannendes Rekeln im heißen Wasser, kein Abdriften in einen Zustand der trägen Unaufmerksamkeit. Nein. Sie wollte hellwach bleiben, die Sinne geschärft. Also ging sie nur kurz unter die Dusche und ließ dabei die Türen der Duschkabine geöffnet, damit sie den gesamten Flur und den Spiegel im Auge behalten konnte.
Als sie sich ihren Morgenmantel übergestreift hatte, schenkte sie sich ein Glas Wein ein, kochte sich Linguine und bereitete eine Soße dazu; dann machte sie es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer bequem und legte eine Schallplatte mit Filmmusik von Ennio Morricone auf. Aber nichts konnte sie ablenken, nichts konnte verhindern, daß sie wieder und wieder über die Szene mit Ben Driskill und deren Auswirkungen nachgrübelte.
Sie war vor Wut wie benommen gewesen, als sie aufgesprungen war, den Stuhl umgeworfen und ihren theatralischen, lächerlichen Abgang gemacht hatte. Sie war fast blind gewesen von Tränen des Zorns und der Demütigung und wegen der tiefen, überwältigenden Enttäuschung über diesen Mann und dessen verrücktem, wildem, unergründlichem Haß auf die Kirche und deren Diener im allgemeinen und auf sie, Elizabeth, offenbar im besonderen – was sie gesehen und gehört hatte, war Beweis genug. Sein Haß war so tiefsitzend, so unversöhnlich, so unverständlich. Sie schüttelte den Kopf. Wie hatte er ihr nur auf eine so rücksichtslose Weise weh tun können? Zudem in einem Moment, als sie ungeheuer verletzlich gewesen war – hatte sie ihm doch über ihr Leben und ihre Gefühle soviel anvertraut wie kaum einem anderen Menschen zuvor. Warum hatte er sich so verhalten? Nur, um ihr weh zu tun?
Sollte es tatsächlich nur der Wunsch nach Grausamkeit gewesen sein, dann war Ben Driskill nichts weiter als ein Schwein.
Aber das war nicht der Fall. Das wußte sie.
Sein Schmerz und seine Qualen, wie tief sie auch in seinem Innern verborgen sein mochten, waren stärker. Stärker als die Schäden, die er ihrem Ich zugefügt und die Wunden, die er ihrem Stolz geschlagen hatte. Es war fraglich, ob sie ihm überhaupt helfen konnte.
Unwahrscheinlich.
Doch er hatte gesagt – du lieber Gott, hatte sie ihn überhaupt richtig verstanden –, er hatte gesagt, daß er sie liebe …
Und was sollte jetzt werden?
Was immer sie auch tat, sie machte alles nur schlimmer. Sie war voller Aufrichtigkeit auf Ben zugegangen, hatte ihm ihr Vertrauen angeboten, und sie war sicher gewesen, daß er dankbar darauf eingehen würde. Aber was immer sie auch tat, sie machte alles nur noch schlimmer.
Unsinn. Nicht alles. Immer nur dann, wenn es mit diesem verdammten Driskill zu tun hatte.
Bei der Unterredung mit Kessler hatte Driskill blaß und erschöpft gewirkt, hatte einen fast gebrochenen Eindruck gemacht. Dunn hingegen war so undurchsichtig gewesen wie immer. Auf wessen Seite, fragte sie sich, stand er wirklich?
Ambrose Calder. Na, das war vielleicht ein Schätzchen. Dr. Seltsams älterer
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