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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Finger. Er zog den Dolch aus der Tasche, sah den Blutstropfen auf der Fingerkuppe, leckte ihn ab, nahm den Umschlag vom Tablett und schlitzte die Lasche mit der Klinge des Dolches auf.
    Im Umschlag befand sich ein einzelnes, in der Mitte gefaltetes Blatt Papier. Er strich es glatt und blickte auf die wenigen, handgeschriebenen Worte. Noch bevor er den Sinn der kurzen Notiz in sich aufnahm, erkannte er die altvertraute Handschrift. Und während er las, legte sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht.
    Du bist noch immer einer von uns. Vergiß es nicht … Simon V.

2 DRISKILL
    Es war eine seltsame Stille, als würde die Welt den Atem anhalten und darauf warten, daß die nächste Überraschung über mich hereinbrach. Aber natürlich war die Welt über derlei unbedeutende Dinge erhaben. Dennoch hatte ich das Gefühl, als würden wir uns im Auge eines Hurrikans befinden, der über uns hinwegzog – eine kurze Ruhepause, bevor der Sturm wieder zu wüten begann. Es hatte irgendwie den Anschein, daß die Ruhe so lange andauern würde, wie D’Ambrizzi mit dem Papst unter Ausschluß der Öffentlichkeit blieb. Ich fragte mich, ob er wirklich im Sterben lag, dieser arme alte Mann, der Oberhaupt einer Kirche war, die so viele Anzeichen zeigte, sich selbst in Stücke zu reißen. Oder war ich nur auf ein weiteres Märchen hereingefallen, das noch mit einem überraschenden Ende aufwarten sollte? Was konnte man bei dieser Geschichte denn schon vorhersehen? Jahrelang war mein Leben in geordneten Bahnen verlaufen: eine Akte nach der anderen, ein Klient nach dem anderen, eine besorgte Miene nach der anderen, die unaufhörlichen Streitereien zwischen meinem Vater und mir, meine nächtlichen Schweißausbrüche, wenn ich von den Jesuiten und meinem kleinen Problem mit der Kette träumte, die mir um ein Haar eine Beinamputation beschert hatte, die Gesichter der Frauen, die ich auf der ein oder anderen Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt und mit denen ich eine kurze, flüchtige, halbwegs befriedigende Affäre gehabt hatte. Aber jetzt – jetzt war gar nichts mehr voraussagbar. Ich schien nicht mehr die kleinste Kleinigkeit vorhersehen zu können. Ich war völlig verunsichert. Noch nie im Leben war ich mir dermaßen naiv vorgekommen. Ich stand bis zu den Knien in Leichen. Und ich war mit einem Spielzeugrevolver bewaffnet. Und alles, was ich tun wollte – was ich tun konnte, genauer gesagt –, war, über eine Nonne nachzudenken.
    Irgendwann brach mein Widerstand zusammen. Ich verwarf den Entschluß, mich von ihr fernzuhalten und mich nur noch um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Es war unvermeidlich, nehme ich an. Ich war einfach nicht imstande, die Dinge zwischen uns so zu belassen, wie sie nach unserem Streit in Avignon immer noch standen. Wie denn auch? Ich hatte dieser Frau gesagt, daß ich sie liebe. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, als ich das vom Stapel gelassen hatte? Nun, wahrscheinlich hatte ich mir dabei gedacht: Du liebst diese Frau. Offensichtlich. Es sah ganz so aus, als hätte ich mich zum erstenmal wirklich verliebt. In eine Nonne. Und nun vergaß ich plötzlich alle Ängste, die mich bis jetzt vor ihr in Sicherheit gebracht hatten. Mir war endlich ein Licht aufgegangen. Das war die einzige Erklärung. Die Sache war schlichtweg die, daß die Gedanken zweier Menschen sich nicht in gesegneter unwissender Abgeschlossenheit voneinander bewegen konnten, wenn diese beiden Menschen aufgrund bestimmter äußerer Umstände ein Stück ihres Weges gemeinsam gehen mußten -ob einer davon Nonne war oder nicht. Sie war eine lebende, denkende, fühlende Frau.
    Ich rief sie an, voller Gewissensbisse, voller Bedauern und unausgesprochener Entschuldigungen. Ich schlug ihr vor, mit mir einen Spaziergang in den Gärten der Villa Borghese zu machen. »Ich muß mit Ihnen reden, bevor diese ganze Geschichte auch nur einen Schritt weitergeht«, sagte ich. »Wir werden einen Spaziergang machen, ja? Und dann werde ich Sie bitten, sehr aufmerksam zuzuhören, was ich zu sagen habe. Ich möchte Sie um Verzeihung bitten. Das bin ich Ihnen schuldig. Aber da ist noch etwas.«
    »Also gut«, sagte sie. Ich hörte den Zweifel in ihrer Stimme.
    In den Gärten der Villa Borghese fühlte ich mich sicher – was immer das auch bedeuten mochte. Ja, hier im Freien, mitten unter den staunenden und lachenden und in Reiseführern blätternden Touristen, die noch nie etwas über die Assassini gehört hatten, und den Frauen, die ihre Babys in den

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