Assassini
nachfüllte. »Die Ärzte, die Krankenschwestern, dieses aufdringliche Individuum, das sich jetzt hier in meinem Haus herumtreibt -sie alle behandeln mich, als läge ich im Sterben. Aber was spielt es denn für eine Rolle, wann man den Löffel abgibt? Margaret ist ein Lebensretter. Aber es ist nicht gut um mich bestellt, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben. Wissen Sie, ich finde das Leben nicht mehr lebenswert. Aber ich muß noch einige Dinge erledigen, bevor ich mich von dieser Welt verabschiede – mein Gott, wo ist die Zeit geblieben, Peaches? Das ist wohl das Klagelied jedes Menschen, der bald sterben muß, nehme ich an. Naja, sei’s drum. Meine Tochter ist tot; ich habe Grund zu der Annahme, daß die Kirche nicht ganz unschuldig daran ist; mein Sohn treibt sich Gott weiß wo herum, bereitet der Kirche Unannehmlichkeiten und macht sich selbst zum Narren … Ich habe Freunde in Rom, wissen Sie, mir kommt immer noch das ein oder andere zu Ohren. O ja, ganz gewiß …« Peaches glaubte zu hören, daß Driskills Stimme vom Alkohol schon leicht schleppend klang, war sich jedoch nicht ganz sicher. Aber er war erstaunt über Hugh Driskills Redefluß. Er hatte ihn noch nie so freimütig reden hören. Hugh Driskill war immer ein verschlossener Mensch gewesen, der nicht viele Worte machte, und wenn, waren sie ausgesprochen reserviert und unpersönlich. Der alte Mann trug einen Morgenmantel in dunklem Scharlachrot mit königsblauer Paspelierung; in die Brusttasche waren seine Initialen eingestickt. Er wies mit dem Glas zum gegenüberliegenden Ende des Long Room, wo die hünenhafte Krankenschwester Wardle auf verlorenem Posten stand; das Eis klirrte gegen die Wandung des Glases. »Sie fürchtet sich vor mir. Sie hat mich durchschaut. Armes, unglückliches Mädel. Ich war unfreundlich. Habe ihr gesagt, sie brauchte eine Rasur. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist …«
»Vielleicht«, sagte Peaches, »wäre eine Geschlechtsumwandlung angebracht.«
Hugh Driskill lachte; ein kraftloses, hohles Geräusch. »Peaches, nehmen Sie’s mir nicht übel, aber ich glaube nicht, daß Gott besonderen Gefallen daran findet, daß Sie sein Diener geworden sind.«
»Hin und wieder sind auch schon andere Leute zu diesem Schluß gekommen.«
»Sie sind ein Unschuldslamm. Nicht aus dem Holz, aus dem man Geistliche schnitzt. Aber ein netter Kerl. Sie sind ein netter Kerl. Meine Tochter hat Sie geliebt … schon als Kind. Sagen Sie mal, haben Sie Val geliebt, Peaches? Körperlich, meine ich?«
»Ja.«
»Val hat es mir erzählt. Und sie hat mir erklärt, Sie seien ein vertrauenswürdiger Mann …«
»Wann war das, Sir?«
»Sir? Sir? Aber, aber. Nicht so förmlich, Peaches. Sie hat es mir bei unserem letzten Gespräch erzählt. Kurz bevor sie starb.«
»Wirklich?«
Hugh Driskill starrte auf das Foto des jungen Mädchens im Tennisdress, das in die Sonne blinzelt. Dann blätterte er langsam die Seiten des Albums um. Peaches schaute zu und sah vieles aus der Familiengeschichte der Driskills an sich vorüberziehen, weiter und weiter zurück in die Vergangenheit. »Hier sind Sie, als kleiner Knirps neben Val unter dem Weihnachtsbaum … Glückliche Zeiten. Längst vergangen. Wir konnten ja nicht in die Zukunft blicken, stimmt’s, Father?«
»Und das war gut so«, sagte Peaches. »Sonst wären uns diese glücklichen Tage gründlich verdorben worden.«
»Hier, sehen Sie mal. Hier ist meine Frau mit Kardinal Spellman … war kurz vor ihrem Tod. Sie war eine unglückliche Frau, meine Mary, aber Sie haben sie ja gekannt, nicht wahr?«
»Ehrlich gesagt, nur flüchtig, Sir. Ich war zu jung damals.«
»Sie haben nicht viel versäumt, um ehrlich zu sein. Mary hatte ein sehr zurückhaltendes Wesen. Sie konnte auch nicht besonders gut mit Kindern umgehen. Ich weiß nicht … um die Wahrheit zu sagen, sogar ich kann mich nur noch verschwommen an sie erinnern – ist das nicht schändlich? Aber mein Gedächtnis läßt mich in letzter Zeit ohnehin mehr und mehr im Stich. Und die Wahrheit ist nicht immer ein gerngesehener Gast. So habe ich mir zum Beispiel sagen lassen, daß der Heilige Vater bald ins Gras beißen wird.«
»Darüber wissen Sie mehr als ich. Sie haben Beziehungen. Kardinal D’Ambrizzi …«
»Ja, da haben Sie wohl recht. Sogar in meinem jetzigen erbärmlichen Zustand kann ich noch einiges bewegen. Saint Jack hat mich ein paarmal angerufen. Also gut, Peaches, warum soll ich Ihnen nicht sofort die gräßliche Wahrheit
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