Assassini
versucht …«
»Nicht nachdrücklich genug! Die ganze Sache war ein Reinfall, und alles wird dadurch nur noch schlimmer!«
»Horstmann hat gesagt, man könne dem Mann vertrauen.«
»Horstmann hatte ihn seit dreißig Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen! Horstmann ist alt und fanatisch. Er muß schon vor Jahren den Verstand verloren haben. Vielleicht war er schon immer verrückt. Jedenfalls müssen wir nicht die Nonne töten lassen, sondern Driskill …«
»Halten Sie das für klug, Eminenz? Jetzt, da er sich hier in Rom aufhält?«
»Sie erdreisten sich, mir sagen zu wollen, was klug ist und was nicht? Und darf ich Sie daran erinnern, daß Sie die Schuld daran tragen, daß wir die Kontrolle über Driskill verloren haben?«
»Wir brauchen ihn jetzt, er braucht uns. Wir müssen auf ihn hören. Verzeihen Sie, aber so ist es nun mal …«
»Horstmann hätte Driskill in Paris töten müssen – oder im Kloster St. Sixtus. Die Zeit wird knapp. Der Heilige Vater kann jede Stunde sterben. Wir müssen sicher sein, daß alles wie geplant läuft, bevor es soweit kommt.«
»Besteht die Möglichkeit, daß der Heilige Vater seinen Wünschen noch Ausdruck verleiht, bevor er …?«
»Ein zweischneidiges Schwert, offensichtlich. Falls ich seinen Segen bekomme – gut. Doch sollte es jemand anderer sein, könnte mir nichts Schlimmeres passieren. Besser, er stirbt vorher. Also, was ist nun? Was ist mit Horstmann?«
»Eminenz?«
»Es könnte sein, daß wir seine Dienste noch einmal in Anspruch nehmen müssen.« Er zuckte die Achseln.
»Das … ist jetzt gefährlich, gefährlicher als je zuvor. Fast jeder hohe geistliche Würdenträger befindet sich bereits in Rom. Darf ich fragen, wen Horstmann …?«
»Nein. Es würde Ihnen nicht gefallen. Aber es wäre die Lösung aller Probleme …«
Er glaubte, den Namen des Opfers zu wissen. »Das würde Horstmann niemals tun, Eminenz.«
»Er tut alles, was man ihm sagt. Er wurde vor langer Zeit zu bedingungslosem Gehorsam erzogen, noch dazu von einem Fachmann. Er ist kein Mensch. Er ist eine Maschine.«
»Verzeihen Sie, Eminenz. Aber er ist ein Mensch.«
»Seien Sie jetzt kein Feigling. Wir stehen kurz vor dem Ziel. Denken Sie immer daran – die Kirche muß gerettet werden.«
Für Papst Calixtus spielte es mittlerweile keine Rolle mehr, ob es Tag oder Nacht war, hell oder dunkel. Die Finsternis – die ewige Finsternis – rückte heran, kam mit jedem Atemzug, jedem Herzschlag näher. Er spürte, wie der letzte Widerstand seines Körpers erlahmte. Vielleicht war sein Leben zu kurz gewesen, aber für ihn hatte es gerade lange genug gewährt. Er fragte sich, was ihn wohl hinter dem dunklen Vorhang des Todes erwarten mochte. Er war sehr müde. Und sehr besorgt.
Er lebte mehr und mehr in der Vergangenheit; sein Geist tauchte in die Schatten ein und stieg wieder daraus hervor, brachte immer neue Erinnerungen mit und neue – vertraute -Gesichter. Doch auch die gewohnten Bilder wurden wieder und wieder lebendig: die Nacht des Wartens am Schienenstrang in den verschneiten Bergen, der anrollende Zug, und Horstmann, Little Sal, der sterbende LeBecq auf dem Friedhof, Simon … sie alle versammelten sich um sein Sterbebett, verbeugten sich, bezeugten dem Oberhaupt der Christenheit ihren Respekt; die Lebenden und die Toten wollten ihm helfen, bis zum Ende durchzustehen …
Doch es war zu spät, ein anderer, neuer Calixtus zu werden. Zu spät, um D’Ambrizzis Plan in die Tat umzusetzen. Er hatte dem Kardinal gesagt, daß die Zeit nicht reichen würde, und dieser hatte bedächtig genickt.
»Kämpfen Sie. Halten Sie nur noch ein bißchen durch«, hatte D’Ambrizzi gesagt.
Calixtus murmelte im Halbschlaf, als sein Sekretär ihn sacht an der Schulter berührte.
»Ja, ja«, sagte er; sein Mund war trocken, und die Worte kamen ihm nur schwerfällig über die Lippen. »Was ist denn? Ist Cassoni da?«
»Nein, Heiligkeit. Ich soll Ihnen dies überbringen.« Calixtus betrachtete den schlichten Briefumschlag.
»Von wem?«
»Das weiß ich nicht, Heiligkeit. Der Brief wurde am Portal von einem Boten abgegeben.«
»Also gut. Machen Sie bitte die Lampe an.« Er wies mit einer schwachen Kopfbewegung auf den Nachttisch. »Danke sehr. Ich läute nach Ihnen, sollte ich Sie brauchen. Danke.«
Als er allein war, griff er in die Tasche seines Morgenmantels, der über einem Stuhl neben dem Tisch hing, tastete nach dem florentinischen Dolch und stach sich die rasiermesserscharfe Spitze in den
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