Assassini
wie tot. »Telefon«, sagte er einigermaßen deutlich. »Erzbischof …« Er sog die Luft durch einen Mundwinkel ein. »Kardinal … Klammer …« Nur gut, daß Klammer nicht noch mehr Titel hatte. Eine Träne tropfte aus dem geschlossenen Auge und versickerte im Teppich.
»Hat er angerufen? Was hat er gewollt?«
»Lockhardt … Heff-Heffernan …« Das Sprechen fiel ihm unendlich schwer. Das war nun aus Hugh Driskill geworden: ein hilfloser alter Mann, der am Fuß einer Treppe am Boden lag und mühsam Satzfetzen aus dem Mundwinkel sabberte.
»Lockhardt und Heffernan«, half ich ihm nach. Wer, zum Teufel, war Heffernan?
»Tot …« jetzt war es ein Flüstern, als würde die letzte Kraft aus ihm herausströmen wie aus einer alten, ersterbenden Batterie.
»Mein Gott … Sie sind tot? Lockhardt ist tot?«
»Ermordet … ges-gestern …« Er blinzelte wieder. Die Finger der einen Hand umkrampften meine Hüfte. Dann verlor er das Bewußtsein.
Ich rief im Krankenhaus an. Dann ging ich wieder zurück und setzte mich neben meinen Vater, nahm seine Hand zwischen die meinen und versuchte, meine Lebensenergie in ihn einströmen zu lassen.
Ich versuchte, meinen Vater durch reine Willenskraft am Leben zu halten.
2
Schwester Elizabeth joggte zurück zu dem modernen Hochhaus an der Via Veneto und hielt in der marmornen Eingangshalle, um wieder zu Atem zu kommen, während sie auf den Lift wartete. Schweiß tropfte von der Spitze ihrer Stupsnase. Das brünette, schulterlange Haar hatte sie im Nacken mit einem grünen Band zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie nahm die Kopfhörer des Walkman ab, und die Musik – eine alte Pink-Floyd-Aufnahme – verstummte abrupt. Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres grauen Sweatshirts über die Stirn.
Sie war fünf Kilometer gerannt und wollte nun zum Swimmingpool auf dem Dach des Hauses. Sie stieg im achtzehnten Stock aus dem Aufzug, ging in ihr Apartment, zog die durchgeschwitzte Kleidung aus, streifte sich ihren Badeanzug über, legte sich den dicken Frottee-Bademantel um und rannte die drei Treppen zum Dach hinauf. Sie hatte den Pool für sich allein und schwamm ruhig und methodisch dreißig Bahnen. Die Sonne war ein purpurner Ball, der sich über den Horizont quälte, beinahe erschreckend anzusehen durch all den Staub und den Smog, der über Rom lag.
Als sie schließlich in der Küche stand und Kaffee kochte, war es halb sieben. Sie war bereits seit fünf Uhr auf den Beinen, hatte gebetet und gejoggt und war geschwommen, und jetzt war es an der Zeit, mit dem Herumtändeln aufzuhören. Jetzt galt es, sich den anstehenden Aufgaben zuzuwenden und den Tag in den Griff zu bekommen.
Schwester Elizabeth liebte ihr Leben als Nonne. Sie hatte den Schritt, dem Orden beizutreten, nicht voller überschwenglicher, naiver Begeisterung getan; sie war sich von Anfang an darüber klar gewesen, welche Anforderung das Leben als Nonne stellte, und sie hatte es auf ihre ruhige, systematische Weise überdacht, und dann hatte sich auch alles in ihrem Sinne entwickelt. Der Orden war stolz auf sie. Das Apartment an der Via Veneto gehörte Curtis Lockhardt. Er hatte persönlich mit Schwester Celestine gesprochen, die solche Angelegenheiten für den Orden in ihrem Büro erledigte, das sich in einem Gebäude am oberen Ende der Spanischen Treppe befand. Die Erlaubnis, dieses Apartment zu bewohnen, hatte Elizabeth sehr schnell bekommen. Der Orden sah seine Mitglieder als erwachsene, eigenverantwortliche Menschen an, denen man Vertrauen und Achtung schenken konnte.
Schwester Valentine hatte Elizabeth damals mit Curtis Lockhardt bekannt gemacht und Lockhardt den Vorschlag unterbreitet, Elizabeth das Apartment zu überlassen. Lockhardt hatte in der Folgezeit auch zu Elizabeth ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt; außerdem hatte er sich als wertvolle Informationsquelle für Elizabeth im Hinblick auf ihre Arbeit als Journalistin der Ordenszeitschrift erwiesen. Es war ein perfektes Beispiel einer Symbiose, welche in einer so festgefügten, ja erstickenden Gemeinschaft wie der Kirche das Leben sehr viel angenehmer machte. Der ganze Trick bei der Sache war immer nur der, daß man die Maschinerie so einsetzen mußte, daß sie für und nicht gegen einen arbeitete. Elizabeth hatte, wenn nötig – und es war oft nötig – das Talent zur Verschwiegenheit. Sie war ehrlich gegenüber sich selbst und ehrlich gegenüber dem Orden, und das war die Voraussetzung dafür, diese Maschinerie in Schwung zu
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