Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
bringen. Auf die richtigen Knöpfe drücken, hatte Schwester Val es genannt. Ja, sie beide wußten, wie man das machte, obwohl sie auf unterschiedliche Knöpfe drückten.
    Sie trank Kaffee und aß Toast und sah dabei ihren Terminkalender für den heutigen Tag durch. Um neun Uhr stand ein Treffen mit einer Delegation französischer Feministinnen auf dem Programm, katholischen Laien aus Lyon, die sich seit langem in einem Guerillakrieg gegen den Vatikan befanden und einen ausführlichen Artikel über ihre Ansichten in der Zeitschrift wünschten. Gott steh’ ihr bei …
    Sie war jetzt drei Jahre Chefredakteurin bei der New World, der vierzehntägig erscheinenden Zeitschrift, die vom Orden ins Leben gerufen worden war. Die ursprüngliche Leserschaft hatte vorwiegend aus katholischen Frauen bestanden, auf dem Höhepunkt der sozialen und religiösen Umwälzungen in den sechziger Jahren. Es hatte nicht lange gedauert, bis die Zeitschrift eine deutlich liberale Haltung annahm; dies wiederum hatte zu wüsten Angriffen seitens konservativer Kreise wegen angeblicher ›marxistischer Einflüsse‹ geführt, mit dem Ergebnis, daß sich die liberale Haltung der Zeitschrift in eine radikale wandelte – was wiederum zur Folge hatte, daß die New World ein Sprachrohr nicht nur der wirklichen Linken, sondern auch der meisten hysterischen Verrückten der gesamten christlichen Welt wurde. Der darauf folgende Schrei der Entrüstung hatte schließlich Calixtus aus seinem pontifikalen Schlummer gerissen, und er hatte den Ordensoberen unter Ausschluß der Öffentlichkeit das Gebot erteilt, diesem ganzen Spuk endlich ein Ende zu machen. Im eigenen Interesse.
    Kurz darauf wurde Schwester Elizabeth Chefredakteurin der New World, die erste US-Bürgerin, die mit diesem Job betraut wurde. In den vergangenen drei Jahren hatte sie vorsichtig und behutsam laviert, hatte die wichtigsten Streitfragen, mit denen die Kirche sich konfrontiert sah, auf unparteiische Weise abgehandelt, war aber niemals einem Thema ausgewichen: Geburtenkontrolle, verheiratete Priester und weibliche Priester, Fragen der Abtreibung, das Problem des linksgerichteten Klerus in den Ländern der Dritten Welt, die Rolle der Kirche auf der internationalen politischen Bühne, die Skandale um die Vatikan-Bank – kurz gesagt, alles und jedes. New World hatte ihre Leserschaft vervierfacht und war eine Art Debattierforum für viele hochrangige Kirchenleute geworden.
    Den ganzen Sommer und Herbst über wußte sie bereits wie alle anderen Journalisten in Rom, daß Papst Calixtus’ Tage gezählt waren. Die Atmosphäre gespannter Erwartung, die in der Stadt herrschte, erinnerte sie an unschuldigere Zeiten, an ihren Großvater zu Hause in Illinois, in einer kleinen Stadt namens Oregon, die Elizabeth jeden Sommer besucht hatte. Es erinnerte sie an die Aufregung und den Nervenkitzel, wenn sie mit Großvater zum Zirkus gefahren war.
    Zirkus – das war eine perfekte Metapher. Der Papst würde bald sterben, und mit seinem Tod begann der Zirkus tatsächlich: mit dem mißtönenden Gedudel der Drehorgel und mit Affen an Ketten, mit der Trompetenfanfare eines Fellini-Films; und die Clowns und die Mißgeburten und die Luftakrobaten hielten sich bei den Händen und tanzten und tollten über die Leinwand. Immer mit ein paar Priestern darunter, als Referenz an das Lokalkolorit. Ja, Rom befand sich gegenwärtig in einem Zustand wie vor Beginn der Zirkusvorstellung. Elizabeth erinnerte sich daran, wie ihre Großmutter sie früh weckte, wie ihr Großvater den Lieferwagen auftankte, und wie sie dann in der kühlen, wolkenlosen und blauen Morgendämmerung, die einen weiteren heißen Tag versprach, hinausfuhren zum Zirkusplatz. Großvater wollte, daß sie zu sehen bekam, was alles geschah, bevor der Zirkusdirektor die Peitsche knallen ließ und die Vorstellung eröffnet wurde, wollte ihr die Erfahrung vermitteln, daß einige der interessantesten Dinge, die mit dem Zirkus zu tun hatten, sich dann ereigneten, wenn noch niemand da war, um zuzuschauen. Die Tiger und die Elefanten – die einen, wie sie unruhig herumstrichen, die anderen, wie sie den Boden erbeben ließen, wie sie auf ihren säulenartigen Hinterbeinen standen und sich hoch in die Luft erhoben, wie sie posierten … der Zirkus, bevor er die Pforten öffnete.
    In diesem Stadium befand sich Rom zur Zeit. Die papabili, die Männer, deren Augen mißtrauisch auf das große Ziel gerichtet waren, auf die einzigartige und einmalige Gelegenheit, Papst

Weitere Kostenlose Bücher