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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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gegenüberzutreten.«
    »So in etwa.« An der Tür wandte er sich noch einmal um und winkte mir kurz zu.
    »Übrigens, Dad …«
    »Ja? Was denn?« Die Schatten in der Eingangshalle schienen ihn zu verschlucken.
    »Sam Turner hat mir gesagt, daß Val ihn heute angerufen und ihm Fragen über den Priester gestellt hat, der sich in unserem Garten aufgehängt …«
    »Wovon redest du denn da?«
    »Von dem Priester, der sich in unserem Obstgarten erhängt hat. Wir hatten doch nur den einen, oder? Was hältst du davon, daß Val sich bei Sam danach erkundigt hat? Hat sie dir auch irgendwelche Fragen darüber gestellt?«
    »Sam Turner ist ein geschwätziges altes Waschweib.« Mein Vater stieß die Worte zornig hervor. »Woher sollte ich irgend etwas darüber wissen? Nein, sie hat mir gegenüber nichts von dieser alten Geschichte erwähnt.«
    »Was meinst du mit … ›Geschichte‹? Es ist doch tatsächlich passiert.«
    »Das ist längst schon Vergangenheit. Begraben und vergessen. Denk nicht mehr daran. Wir werden nie erfahren, was Val mit dieser Frage bezweckt hat, und das ist gut so. So, und jetzt gehe ich zu Bett.« Er wandte sich um.
    »Dad?«
    »Ja?«
    »Falls du nicht einschlafen kannst – ich bleibe wach. Ich bin auf meinem Zimmer. Wenn du Gesellschaft brauchst …« Ich zuckte die Achseln.
    »Danke für das Angebot«, sagte er. »Ich glaube, ich werde ein Gebet sprechen. Darf ich dir das auch vorschlagen? Sofern du dich erinnerst, wie das geht, natürlich.«
    »Ich kann’s ja mal versuchen.«
    »Nun, es ist nie zu spät, wie ich gern zu sagen pflege.« Ich konnte sein Gesicht zwar nicht mehr erkennen, aber dem Klang seiner Stimme war die Andeutung eines Lächelns zu entnehmen. »Nicht einmal für eine verlorene Seele wie die deine, Ben.«
    Dann war er verschwunden, und ich brauchte lange, um den Tisch abzuräumen. Dann rauchte ich meine Zigarre auf und knipste das Licht aus.
    In der Kapelle brannten noch immer die trüben Lampen.
    Mein verletztes Bein bestrafte mich für meine Sünden, und der Scotch hatte nicht geholfen. Ich humpelte die Stufen hinauf, dann über den dunklen, zugigen Korridor und in mein altes Schlafzimmer. Die gerahmte Fotografie von Joe DiMaggio mit dem Autogramm und der Widmung für meinen Vater und mich hing über meinem Bett. Ich betrachtete den vertrauten braunen Wasserfleck an der Decke, dort, wo es eines Nachts durch ein Loch geregnet hatte, das ein Eichhörnchen auf der Suche nach einem Versteck für Nüsse in die Schindeln genagt hatte.
    Ich knipste die Nachttischlampe an. Der Schneeregen klatschte gegen die Fensterscheiben. Gary Coopers Zeichnungen von Val und mir standen noch immer in ihren silbernen Rahmen auf der Kommode. Seltsam. Ich war der einzige von uns dreien, der am Leben geblieben war.
    Ich schluckte eine Handvoll Aspirin, um die Schmerzen in meinem Bein zu lindern, und versuchte, den Todesfeen der Erinnerungen zu entkommen, die sich auf dem Rasen draußen vor dem Fenster versammelten. Ich drehte und wälzte mich herum, um mein Bein in eine Lage zu bringen, in der es nicht mehr so stark schmerzte; dann fiel ich in einen unruhigen Halbschlaf, in dem wirre Gedanken an die Vergangenheit und Träume und gräßliche Bilder meiner Phantasie herumspukten. Und dann, irgendwie, befand ich mich wieder bei den Jesuiten, wie bei einem außerkörperlichen Erlebnis …
    Die schwarzuniformierte Armee, in der ich einst gedient hatte, brach aus der Nacht hervor und fiel über mich her, als wären die Gestalten versessen darauf, meine Verteidigungspositionen zu überrennen und mich als einen der ihren zu vereinnahmen. Was aber so kraß nicht der Fall gewesen war, jedenfalls an den meisten Tagen nicht. Eigentlich hatte mir das Leben als Novize in gewisser Weise sogar Spaß gemacht. Vom ersten Tag an hatte ich meinen festen Platz in diesem Truppenkontingent aus Klugscheißern gefunden.
    Berufsmäßige Klugscheißer, jawohl, die mehr ihres rebellischen Geistes denn ihrer Frömmigkeit wegen geschätzt wurden. Die ersten Wochen der Grundausbildung nahmen rasch den Charakter einer Herausforderung an – einer Herausforderung an unsere noch vorhandene Individualität, die in Demut und Gebet abgeschliffen werden sollte, eingetaucht in die Langeweile des täglichen Einerleis, in die permanente Geschäftigkeit, die Geräusche und Gerüche eines religiösen Männerwohnheims.
    Dann kam jener Tag, da uns Bruder Fulton, der nur ein paar Jahre länger dabei war als wir anderen, zu einem Gespräch

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