Assassino
sie. Du bist ein besserer Mensch, als ich es jemals war. Wenn du sie ansiehst, wirst du vielleicht an mich denken.«
Kati musste schlucken. Sie drehte sich zur Seite und täuschte einen Husten vor, um die Tränen zurückzudrängen. Als sie wieder aufblickte, stand Ilyas neben dem Tisch.
»Ich danke dir für alles, Kati Bergman«, sagte er, verneigte sich und ging davon.
Kati starrte auf die Schnitzerei.
Und zum zweiten Mal in dieser Woche brach sie in Tränen aus.
Muller
Martin Bergman saß in einem Straßencafé in der Nähe des Fährhafens. Auch wenn Bernie widersprochen hatte, er konnte nicht den ganzen Tag wie ein Gefangener in Faruk Sens Haus versteckt bleiben. Sein Assistent hatte allerdings darauf bestanden, dass ihn mindestens drei Bodyguards begleiteten, und wollte auch selbst mitkommen, aber Bergman hatte abgewinkt. »Du bleibst hier und kümmerst dich um die Geschäfte. Wir haben in den letzten Tagen schon Geld genug verloren.«
Er hatte bewusst ein schlichtes Lokal gewählt, mit Resopaltischen und einfachen Gerichten. Und er genoss es. Es war herrlich, nach drei Tagen im Zimmer den leichten Wind auf der Haut zu spüren, sich von der Sonne wärmen zu lassen und den bunten Strauß der Düfte einzuatmen, die Istanbul so einzigartig machten.
Seine Wachen hatten sich in einiger Entfernung an den Rändern der Tischgruppe postiert, und sie sahen so auffällig unauffällig aus, dass die vorbeikommenden Passanten ihnen neugierige Blicke zuwarfen und sich fragten, welcher Prominente hier wohl zu Gast war.
Bergman studierte die Speisekarte, als ein Schatten auf ihn fiel. Er blickte auf.
»Karol!« Bergmans Augen weiteten sich unmerklich.
»Gestattest du, dass ich mich setze? Oder schießen deine Bluthunde mich dann sofort ab?«
»Das wäre vielleicht das Beste, was sie tun könnten«, erwiderte Bergman. Aber er reckte eine Hand in die Höhe, um den Bodyguard, der bereits auf ihn zueilte, zu beruhigen. Muller zog einen Stuhl zurück, setzte sich und legte die Hände auf den Tisch.
»Ein Treffen unter alten Freunden nach so vielen Jahren«, sinnierte er. »Das hat doch was Anrührendes, findest du nicht?«
Bergman blickte seinen ehemaligen Partner durchdringend an. Die Zeit war an Muller nicht spurlos vorübergegangen, aber er hatte sich gut gehalten, das musste man ihm lassen. Das dunkelblonde Haar war noch voll, ohne Ansätze von Geheimratsecken, und modisch geschnitten, an den Seiten kurz und oben lang. Sein Gesicht war braun gebrannt, und man musste schon genau hinschauen, um die Fältchen zu erkennen, die die Jahre hineingegraben hatten. Seine blauen Augen verbargen jede Gefühlsregung.
»Was willst du von mir, Karol?«
»Du hattest mir Informationen versprochen, Martin. Schon vergessen?«
Bergman brauchte einen Moment, um seine Gefühle zu ordnen. Die Unverfrorenheit von Muller überraschte ihn auch nach so vielen Jahren noch.
»Das dürfte sich nach vorgestern erledigt haben, findest du nicht?«
»Vorgestern?« Muller zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Den Unschuldigen hast du noch nie gut spielen können. Also lass es.«
»Du hast mich durchschaut.« Muller lächelte. »Aber es war einen Versuch wert.«
»Auch fünf Tote?«
»Wer waren sie schon?« Mullers Hand spaltete die Luft zwischen ihnen. »Leibwächter und Söldner. Die Welt ist besser dran ohne sie, findest du nicht? Und außerdem habe nicht ich sie umgebracht, sondern deine Leute. Das solltest du nicht vergessen.«
»Meine Leibwächter gehen ausschließlich auf dein Konto. Und deine bezahlten Killer? Wir haben uns nur gewehrt.«
»Du warst nie darum verlegen, dir die Welt schönzureden, Martin.« Muller stieß seinen Zeigefinger in Bergmans Richtung. »Und dennoch bist du es, der zwei der Toten zu verantworten hat. Meine Leute hatten nicht den Auftrag, einem von euch Schaden zuzufügen.«
»Und warum wollten deine Assassinen mich dann verschleppen?«
»Assassinen?« Muller lachte laut auf. »Seit wann glaubst du an diesen Blödsinn?«
Bergman ignorierte die Frage. »Nenn es, wie du willst. Tatsache ist, diese Männer hatten vor, mich zu entführen.«
Muller nickte. »Das stimmt. Ich wollte dich vorübergehend aus dem Verkehr ziehen. Ein Gegner, von dem ich weiß, was er tut – oder in diesem Fall: was er nicht tut –, ist mir lieber als ein Gegner, den ich nicht unter Kontrolle habe. Aber ich muss einräumen, euch unterschätzt zu haben. Deine Tochter umgibt sich mit interessanten Freunden.«
»Lass meine Tochter
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