Assassino
ich konnte. Falls du doch noch einsichtig wirst, so hast du jameine Nummer.« Er deutete eine Verbeugung an. »War nett, mal wieder von Angesicht zu Angesicht mit dir zu plaudern, Martin.«
Bergman sah ihm nachdenklich hinterher, während Muller sich seinen Weg durch die Tischreihen bahnte. Wenn Karol beabsichtigt hatte, ihn zu verunsichern, dann war es ihm gelungen. Warum war er so schnell bereit, auf das Eberzahnamulett zu verzichten? Er erinnerte sich noch genau daran, welche Mühe es sie damals gekostet hatte, das Stück zu finden. Und diese Geschichte mit Tages? War das ein weiterer Bluff von ihm oder steckte mehr dahinter?
Auf jeden Fall würde Karol nicht so einfach aufgeben. Das entsprach nicht seinem Naturell.
Und wahrscheinlich waren es sowieso alles nur Lügen.
Die Spur
Als Kati, Chris und Ilyas zu Faruk Sens Haus zurückkehrten, zog sie Seamus gleich ins Gemeinschaftszimmer. »Ihr habt Besuch«, sagte er.
Am Tisch saß Paola, wie immer perfekt gestylt. Vor ihr lagen ein Schreibblock und ein Stapel bedruckten Papiers. Kati fragte sich, was sie hier wollte.
»Ich habe vielleicht eine Spur gefunden, die euch weiterhelfen könnte«, erklärte die Studentin nach der Begrüßung. Kati zog die Augenbrauen hoch. Chris und sie durchforsteten seit Tagen alle Archive und Bibliotheken, und Paola wollte ohne Hintergrundwissen eine Spur entdeckt haben?
»Ich weiß, dass ihr die ganze Zeit danach sucht, was mit diesem Bona und seinen Sachen passiert ist«, begann sie. »Was habt ihr bislang ermitteln können?«
»Leider nur sehr wenig«, antwortete Chris. »Wir haben nachgewiesen, dass Bona in Konstantinopel angekommen ist und hier eine Villa bezogen hat. Wir haben auch einiges über seine weiteren Aktivitäten herausgefunden. So ist er relativ schnell Mitglied der hiesigen Kaufmannsgilde geworden. In deren Aufzeichnungen wird er einige Jahre lang immer wieder erwähnt. Aber dann sieht es so aus, als sei er einfach vom Erdboden verschwunden.«
Kati warf Chris einen warnenden Blick zu. Wieso gab er Paola so freimütig Auskunft?
Er ignorierte sie. »Wir haben die Ausschiffungsprotokolle der ganzen Jahre durchforstet und auch die Kaufmannsbücher aus anderen türkischen Städten, aber ein Bona taucht nirgendwo mehr auf«, fuhr er fort.
»Habt ihr mal in Erwägung gezogen, dass er seinen Namen geändert hat?«
Kati und Chris blickten sich verblüfft an. Auf den Gedanken waren sie noch nicht gekommen. Chris schlug sich vor die Stirn. »Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht!«
Paola lächelte. »Dafür habt ihr ja mich. Ich habe mir im Museum einmal alles vorgenommen, was an offiziellen Unterlagen aus jenen Jahren noch verfügbar ist. Und ich bin fündig geworden!«
Sie nahm ein Blatt von dem Stapel und schwenkte es in der Luft. Es war die Fotokopie eines alten Dokuments. »Nachdem Bona sich darüber klar geworden war, dass es für ihn kein Zurück nach Ragusa mehr geben würde, beschloss er, sich an seine neue Heimat anzupassen und seinen Namen zu naturalisieren.«
»Aber Nachnamen wurden in der Türkei doch erst 1934 eingeführt«, unterbrach sie Chris.
»Das weiß ich. Aber es gibt eine Behörde, die zu jeder Zeit genau erfasst hat, wie die Bürger heißen und was sie machen.«
»Das Militär?«, fragte Kati.
»Das nur dann, wenn es keine Berufsarmee gab. Nein, ichmeine die Steuereintreiber. Also habe ich mich darauf konzentriert. Und siehe da, ich habe eine Notiz gefunden, in der das Handelsgeschäft eines gewissen Bulut vermerkt ist, der vorher Bona hieß.«
Triumphierend blickte sie in die Runde. »Von da an war es ein Leichtes, seine Spur zu verfolgen, zumal die entsprechenden Unterlagen im Museum in den letzten Jahren vollständig digitalisiert worden sind. Nach 1934 wurde Bulut als Nachname genommen. Und es gibt tatsächlich noch einen Nachfahren jenes Bona, der in Istanbul lebt.«
Sie nahm einen weiteren Zettel vom Stapel und legte ihn Kati und Chris vor. »Bitte sehr. Arif Bulut. Komplett mit Adresse und Telefonnummer.«
»Das ist … fantastisch!«, rief Kati. Für einen Moment vergaß sie ihre Abneigung gegen Paola. »Wirklich ganz hervorragende Arbeit!«
»Danke.« Die Studentin senkte bescheiden die Augen. »Ich hoffe, es hilft euch weiter.«
»Ich rufe ihn gleich mal an, wenn es euch recht ist.« Seamus, der die türkische Sprache besser beherrschte als Kati oder Chris, nahm den Zettel auf und zog sein Mobiltelefon hervor. Am anderen Ende meldete sich eine tiefe
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