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Assassino

Assassino

Titel: Assassino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Männerstimme. Der Ire stellte sich vor und nannte den Grund seines Anrufs.
    Der Mann schien zuerst nicht zu verstehen, worum es sich handelte. Nachdem ihm Seamus die Sachlage erklärte, willigte er ein, Kati und Chris am nächsten Tag zu empfangen. Seine Adresse lag außerhalb der Innenstadt, in der Nähe der Theodosianischen Landmauer.
    »Der Mann ist ziemlich alt und ein wenig schwerhörig«, warnte sie Seamus. »Oder schwer von Begriff, das konnte ich nicht so genau unterscheiden.«
    Kati bemerkte den bewundernden Blick, den Chris Paola zuwarf. Sie war sich noch immer unschlüssig, wie sie deren plötzliche Hilfe einschätzen sollte. War das ihre Art, sich für die Rettung durch Kati zu bedanken? Das hätte umgekehrt bedeutet, dass sie ihnen nicht geholfen hätte, wäre es nicht zu dieser Situation in der alten Fabrik gekommen. Paola wusste ja schon viele Tage, wonach sie suchten. Warum hatte sie ihre Hilfsbereitschaft nicht sofort gezeigt?
    Ilyas stand die ganze Zeit neben der Tür. Sein Blick war leer, so als sei er in Gedanken völlig woanders. Kati umfasste die kleine Holzfigur in ihrer Tasche und fuhr mit dem Zeigefinger die hineingeschnitzten Linien entlang. »Das ist Ilyas«, durchfuhr es sie, als sie über die glatte Fläche strich, an der sich das Gesicht hätte befinden sollen.
    Nach ihrem Gespräch heute Morgen hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt. Kati hatte ihre Tränen getrocknet, die Figur eingesteckt und war zu Chris zurückgegangen, um ihre Arbeit fortzusetzen. Die Konzentration auf die alten Texte hatte ihr geholfen, das Gespräch zu verdrängen. Aber jetzt kehrte alles mit voller Wucht zurück.
    »Darauf sollten wir einen trinken«, schlug Chris vor, und Paola und Seamus willigten ein. Der Ire war einem guten Tropfen, begleitet von einem guten Essen, nie abgeneigt.
    »Ich bleibe hier«, verkündete Kati. »Die letzten Nächte habe ich nicht besonders gut geschlafen. Vielleicht klappt es heute besser.«
    Seamus und Chris versuchten vergeblich, sie zum Mitkommen zu überreden. Währenddessen verschwand Ilyas unbemerkt aus dem Raum. Folgte er jetzt dem Ruf Tamars? Oder ging er ebenfalls nur früh zu Bett? Kati war das in diesem Augenblick egal.
    Sie wollte nur allein sein.

Zu spät
    Kati hatte abermals kaum geschlafen, und als sie beim Frühstück die Kaffeetasse zum Mund führte, zitterten ihre Finger. War das die Aufregung über den bevorstehenden Besuch bei Bulut? Sollte sich heute das Geheimnis um den Fundort der Fibelscheibe lüften? Oder war es die Sorge um Ilyas, der gestern entgegen ihrer Befürchtung das Haus doch nicht mehr verlassen hatte?
    Chris kam, als sie fast schon fertig war. Er nahm sich lediglich einen Orangensaft. »Brechen wir auf?«, fragte er voller Ungeduld. »Und wo steckt Seamus? Er wollte doch auch mitkommen.«
    »Wollte er, fürwahr«, tönte es aus dem Flur, und der Ire trat durch die Tür. »Aber ich habe es mir anders überlegt. Ich bleibe lieber hier und passe auf unseren unruhigen Freund auf. Mustafa kann auch für euch dolmetschen, wenn es erforderlich sein sollte.«
    Kati war erleichtert über seine Entscheidung. Er würde Ilyas zwar auch nicht aufhalten können, wenn der es nicht wollte, aber es war besser, als wenn Ilyas allein zurückblieb.
    Während Mustafa sie auf seine gewohnt abenteuerliche Art durch den Verkehr manövrierte, kehrten Katis Gedanken immer wieder zu Ilyas zurück. Wie musste es sich anfühlen,einer anderen Person hilflos ausgeliefert zu sein? Und dann ausgerechnet Ilyas, mit seinem Selbstbewusstsein und seinem Ehrgefühl! Wenn sie nur einen Weg wüsste, ihm zu helfen!
    Chris und ihr Vater würden ihr dabei sicher nicht zur Seite stehen. Seamus oder Bernie? Vielleicht. Blieb nur eine, an die sie sich wenden konnte: Paola. So groß ihre Vorbehalte der Studentin gegenüber auch waren, sie schien die Geschichte des
wandernden Assassinen
zu glauben. Und sie wusste viel über diesen Orden – vielleicht auch über Tamar? Sie musste sich mit Paola treffen!
    Das Viertel, durch das sie kamen, hatte mit der glorreichen Geschichte Istanbuls nicht viel zu tun. Hier dominierten die Bagger und Baumaschinen. Überall ragten mehrgeschossige Wohnhäuser in die Höhe. Staubwolken vernebelten die Luft. Das Rattern der Bohrer und Sägen und das Brummen der Fahrzeuge waren selbst im Inneren des Autos zu hören.
    »Großes Unglück«, klagte Mustafa. »Mein Vetter Davaroglu und seine Familie hier früher leben. Sulukule war ältestes Roma-Viertel von

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