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Assassino

Assassino

Titel: Assassino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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verlassen musstest.«
    Seamus nickte. »Leider. Die Sieger bestimmen immer, was richtig und was falsch und was legal und was illegal war. Ich befand mich unglücklicherweise auf der Seite der Verlierer.«
    »Was für uns gut ist«, beendete Kati die Auseinandersetzung. »Ich schlage vor, Seamus macht jetzt den Pass fertig und Chris geht duschen. Ich warte solange mit Ilyas hier, und wenn ihr wieder zurück seid, dann können wir den Flug buchen und endlich ins Bett gehen.«
    »Gute Idee.« Seamus winkte Chris zu. »Komm, ich zeig dirdie Dusche, wenn du keine Angst hast, mit einem
Attentäter
mitzugehen.«
    »Haha«, brummte Chris und folgte Seamus. An der Tür warf er noch einen Blick zurück. Kati hatte die Hand auf Ilyas’ Oberarm gelegt und dirigierte ihn zum Sofa.
    Er verspürte einen Stich im Herzen.
    2.
    Ilyas saß neben Kati auf dem Sofa und zupfte an der Hose und an den Ärmeln des Hemdes herum, so wie jemand, der noch nie derartige Kleidung getragen hat.
    »Dein Freund ist ein mächtiger Mann«, sagte er voller Ehrfurcht. »Er hat ein Gerät, das Bilder machen kann, und mehr Kleidungsstücke als ein Händler auf dem Basar.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, lachte Kati. Sie war Seamus zwar erst dreimal begegnet, aber jedes Mal war er unterschiedlich angezogen. Wenn man dazu die Qualität seiner Kleidung betrachtete, dann war klar, welchen Wert er darauf legte. »Deshalb ist er allerdings nicht mächtig. Es bedeutet nur, dass er Geld hat.«
    »Wer Geld besitzt, ist mächtig.«
    »Manchmal schon«, räumte Kati ein. »Man kann sich Dinge leisten, die anderen Menschen verwehrt bleiben.« Wer wusste das besser als sie? Das war in der Tat auch eine Art von Macht, wenn auch nicht im politischen Sinn.
    »Und man kann sich die Dienste von anderen kaufen«, ergänzte Ilyas. Er legte die Stirn in Falten. »Du bist auch einemächtige Frau. Das heißt, du hast auch viel Geld.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. »Oder bist du eine Hexe?«
    Kati lachte. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Nun, du bist eine Frau, aber die Männer folgen dir. Sie«–   er deutete mit dem Daumen über die Schulter in die Richtung, in die Chris und Seamus verschwunden waren   –»und die Leibgarde ebenfalls.«
    »Die Leibgarde?«
    »Jene Männer, aus deren Händen du mich befreit hast. Du musst einen mächtigen Zauber benutzt haben.«
    »Ach so, du meinst die Polizei. Das war nicht besonders schwer, die waren froh, dich los zu sein. Und Chris? Ich bin die Leiterin unserer kleinen Expedition, deshalb habe ich das letzte Wort. Mein Vater finanziert unsere Reise und er vertraut mir.«
    »Aber du bist eine Frau«, wiederholte Ilyas mit unbewegter Miene.
    »Na und? Wir sind emanzipiert, falls dir das entgangen sein sollte.«
    »Emanzipiert?« Er starrte sie an.
    »Das bedeutet, wir haben dieselben Rechte wie die Männer«, erklärte sie.
    Ilyas schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein.«
    »Und warum nicht? Sind wir etwa weniger wert als ihr?«
    »Jedes Lebewesen hat seinen Platz in der Natur. Die Ameise ebenso wie der Bär. Und die Frau so wie der Mann. Kann der Schmetterling den Löwen beherrschen? Oder der Spatz den Adler? Niemals. Aber es bedeutet nicht, dass der Spatz, dieAmeise oder die Frau weniger wert ist. Sie nehmen nur eine andere Stelle in der Schöpfung ein.«
    »Wo hast du das denn gelernt?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es ist so.«
    War das sein Ernst? Kati kniff die Augen zusammen, aber er sah nicht so aus, als wollte er sie auf den Arm nehmen. »Ich bin also eine Ameise, ja? Und du ein Bär?«
    Ilyas antwortete nicht. Er schaute sie nur aus seinen unergründlichen Augen an und seine Miene blieb todernst.
    Wo hatte er nur diese seltsamen Vorstellungen her? Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er von dem, was er sagte, überzeugt war. Er musste in einer sehr rückständigen Gesellschaft aufgewachsen sein. Und einer, die von der Außenwelt abgeschnitten war. Aber wo in der Welt kannte man keine Autos oder Telefone? Vielleicht noch bei ein paar Stämmen in Südamerika oder auf Borneo. Aber von daher stammte er mit Sicherheit nicht.
    »Du bist der merkwürdigste Mensch, der mir je begegnet ist«, sprach Kati ihren Gedanken aus. »Und ich kann immer noch nicht glauben, dass du dich an nichts aus deiner Vergangenheit erinnern kannst.«
    Er machte eine Bewegung mit dem Arm. »Diese Welt ist merkwürdig, nicht ich.«
    »Mit dieser Meinung stehst du ziemlich allein da.«
    »Das mag sein.« Er schloss kurz die Augen.

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