Assassino
geübten Blick sofort das Alter des Stücks signalisierten. Entsprechend hoch musste auch sein Wert sein. Einen Augenblick hatte sie gezögert, einen so wertvollen Gegenstand einfach in den Koffer zu packen, hatte aber keine Alternative gesehen. So war ihr nur geblieben, für ihr Gepäck eine zusätzliche Versicherung abzuschließen und zu hoffen, dass es nicht verloren gehen würde.
Während Ilyas mit Seamus noch einen Spaziergang rund um den Flughafen unternahm, saß sie mit Chris in dem kleinen Café neben dem Terminal. Der Gedanke an das Messer ließ sie nicht los. Wie kam Ilyas in den Besitz dieses Stücks? Er behandelte den Dolch wie einen Gebrauchsgegenstand, so als wüsste er überhaupt nicht, was er wert war. War es dort, wo er herkam, selbstverständlich, dass man mit solchen Schätzen ausgerüstet wurde?
Das brachte sie wieder zu der Frage zurück:
Wo
kam er her? Und wer war er? Als habe er ihre Gedanken erraten, sagteChris: »Mir ist gar nicht wohl dabei, diesen Ilyas mitzunehmen. Wir wissen gar nichts über ihn! Er taucht genau dann auf, als du bedroht wirst, erledigt locker drei Kerle, die ihm an Stärke und Größe haushoch überlegen sind, und spielt den total Desorientierten, weil er weiß, dass das deinen Mutterinstinkt wachruft.«
»Mutterinstinkt? Du spinnst doch!« Kati spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss, und das machte sie wütend. Was fiel Chris ein, ihr so etwas zu unterstellen?
»Ach, ist das so? Wer schwirrt denn ständig um Ilyas herum, kümmert sich um jedes Wehwehchen und hat für alles und jedes Verständnis, auch wenn es noch so absurd klingen mag?«
»Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
Chris strich sich lässig durchs Haar. »Ich? Unsinn! Ich beschreibe nur, was ich sehe. Und was du offenbar gar nicht merkst.«
»Vielen Dank für deinen Hinweis«, erwiderte Kati eisig. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seit Ilyas’ Auftauchen war Chris wie verändert. Seine Lockerheit, die sie so an ihm schätzte, war verloren gegangen, und er nutzte jede Gelegenheit, um etwas an Ilyas oder Seamus zu kritisieren. Der einzige vernünftige Mensch auf dieser Reise war der Ire. Sie war froh, ihn kennengelernt zu haben, nicht nur wegen der Hilfe, die er ihnen gewährt hatte. Auch Ilyas schien ihm instinktiv zu vertrauen.
Bis die beiden zurückkehrten, schwiegen sie und Chris sich an.
2.
Der Grenzbeamte warf einen oberflächlichen Blick in ihre Papiere, stempelte sie ab und reichte sie dann zurück, auch den von Ilyas. Seamus hatte nicht zu viel versprochen. Wenig später saßen sie alle in der klimatisierten Abflughalle des Terminals.
In der nächsten Stunde beobachtete Ilyas Landung und Start einer Maschine und sah Kati wortlos an. Sie lächelte ihm aufmunternd zu. »Ich kann mir vorstellen, was du denkst. Aber ich bin schon über hundert Mal in diesen Blechkisten geflogen und es ist nie etwas passiert.«
Ilyas nickte. Sie war ihm in so vielen Dingen voraus. Aber das war kein Wunder. Sie
kannte
diese Welt, die für ihn so neu und verwirrend war. Und sie hatte keine Probleme damit, ihm zu sagen, was er tun sollte.
Es fiel ihm schwer, einer Frau zu gehorchen. Aber da war diese andere Frau gewesen, in dem Hinterhof, und sie hatte ihm aufgetragen, Kati zu folgen. Warum, das konnte er nur ahnen. Ging es um diesen Gegenstand, den sie suchten? Was es genau war, wusste er nicht, denn seine Beherrschung der Sprache, die sie »Englisch« nannten, war nur unvollkommen. Oder ging es um etwas anderes?
Die Frau im Hof hatte Macht über ihn gehabt. Sie war eine Zauberin. Kati, das hatte er inzwischen herausbekommen, war das nicht. Manches, das ihm wie Zauberei vorkam, war in dieser Welt ganz normal, und niemand wunderte sich darüber.
Und die Männer? Der, den sie Seamus nannten, verfügteoffenbar über eine Reihe ungewöhnlicher Fertigkeiten. Ilyas mochte ihn, denn er spürte in ihm eine Ruhe und Gelassenheit, wie sie weise Männer hatten. Seamus machte ihm auch keine Vorschriften oder wehrte sich gegen seine Begleitung. Ganz im Gegensatz zu Chris, der ihn nicht mochte und sich auch keine Mühe gab, das zu verbergen.
Kati unterbrach seine Gedanken. »Wir sind dran«, sagte sie, und er folgte ihr und ihren Freunden auf den Platz, wo ein Flugzeug auf sie wartete. Als sie vor der Einstiegstreppe standen, zögerte er. Neben ihm dröhnte ein Motor, der an einem der Flügel hing, und er fragte sich, wie diese Konstruktion halten sollte. Kati schob ihn vorwärts, und widerstrebend
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