Assassino
wahrscheinlich machte sie sich ganz unnötig Sorgen.
Ilyas und Seamus standen ein wenig hinter ihnen und unterhielten sich angeregt. Worüber die beiden wohl plaudern mochten? Kati hätte viel darum gegeben, dabei Mäuschen zu spielen. Der Ire mit seiner unbekümmerten Art hatte offenbar von ihnen allen die geringsten Probleme mit Ilyas.
Als sie schließlich die Kontrolle passiert hatten, bei der, trotz der gründlichen Untersuchung der Grenzbeamten, Ilyas’ gefälschter Pass unbeanstandet blieb, lief Kati vor den anderen zur Gepäckausgabe. Ihr Herz begann erst wieder ruhiger zu schlagen, als sie ihren Koffer entdeckte, der auf dem Rollband unbeschädigt seine Runden zog.
Am Ausgang stürzte sich ein schwer atmender, kleiner und dicker Mann auf Kati. Er trug einen grauen Anzug und hatte Schweißflecken unter den Achseln. Seine spärlichen Haareklebten kreuz und quer am massiven Schädel und seine linke Backe leuchtete rot.
»Entschuldigung«, sagte er auf Englisch. »Dürfte ich einmal den Gepäckanhänger Ihres Koffers sehen?«
Kati blieb stehen. »Sie sind Faruk Sen?«
Ein Ausdruck der Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Mannes breit. »Frau Bergman! Willkommen in Istanbul!«
Er schüttelte ihr überschwänglich die Hand und begrüßte anschließend ihre Begleiter. Dabei beäugte er Ilyas ebenso skeptisch wie dieser ihn.
»Was ist Ihnen denn passiert?«, fragte Seamus und deutete auf Sens Backe.
»Oh, oh!«, klagte der Mann, zog ein großes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und wischte sich damit über Gesicht und Haare. »Sie ahnen ja gar nicht, wie viele blaue Hartschalenkoffer es gibt.« Dabei warf er einen vorwurfsvollen Blick auf Katis Koffer. Sofort hatte sie ein schlechtes Gewissen.
»Ist das etwa wegen mir?«, fragte sie.
»Oh ja, oh ja! Ich habe jeden blauen Koffer kontrolliert, so wie Sie das wollten, aber manchen Leuten hat das nicht gefallen.« Er warf die Hände in die Luft. »Sie kennen die türkischen Männer nicht! Einer glaubte, ich wollte seiner Frau zu nahe treten, und hat mir eine Ohrfeige verpasst, von der mein Schädel jetzt noch brummt.«
»Sie armer Mann«, sagte Kati voller Mitleid. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Oh nein, danke, es geht schon«, winkte er ab. »Kommen Sie, kommen Sie, Mustafa wartet schon auf uns.«
Er nahm Katis Koffer und trieb die kleine Gruppe zum Ausgang, vor dem ein Minibus mit drei Sitzreihen wartete. Der Fahrer war in eine intensive Unterhaltung mit einem Polizeibeamten vertieft.
»Oh nein!« Faruk Sen stellte den Koffer ab und eilte zum Auto. Wild gestikulierend mischte er sich in das Gespräch ein, das durch seine Teilnahme deutlich aufgeregter wurde.
»Ein merkwürdiger Mensch«, murmelte Ilyas, der neben Kati getreten war. »Erst jammert er, dann trägt er deinen Koffer, und dann lässt er ihn fallen und stürzt sich in einen Streit.«
»Bei uns ist es üblich, dass der Mann die Koffer trägt, wenn er seine Hände frei hat.«
Ilyas schüttelte verständnislos den Kopf. »Und wie soll er sich dann verteidigen, wenn er angegriffen wird?«
Kati musste unwillkürlich lachen. Irgendwie war das Ganze so unwirklich. Ilyas blickte sie fragend an.
»Entschuldige«, sagte Kati. »Aber manchmal bist du wirklich zu komisch.«
Er schien über ihre Bemerkung nicht sauer zu sein, lediglich die Falte über der Nase vertiefte sich ein wenig, so als würde er angestrengt über das, was sie soeben gesagt hatte, nachdenken.
Faruk Sen hatte sich inzwischen mit dem Polizisten geeinigt. Mustafa, ein kleiner, mausgesichtiger Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart, packte die Koffer hinten in den Wagen, während Sen die Seitentür aufschob und auf die Plätze bat.
»Mustafa wird Ihnen während Ihres Aufenthaltes hier alsFahrer zur Verfügung stehen«, erklärte er. »Er versteht Englisch und kennt sich perfekt in der Stadt aus. Er war über zwanzig Jahre Taxifahrer, bevor ich ihn in meine Dienste genommen habe.«
Mustafa nickte zustimmend, während er zurück auf den Fahrersitz kletterte. »Sie sagen Ziel, Mustafa Sie bringen hin. Presto.« Er strich sich den Schnurrbart zurecht, ließ den Motor an und schoss unter intensiver Nutzung der Hupe und ohne den Blinker zu betätigen auf die Straße. Hinter ihnen quietschten die Reifen eines Autos, das nur dank einer Vollbremsung einen Zusammenstoß vermieden hatte.
»Keine Sorge«, strahlte Mustafa, als er die erstarrten Gesichter seiner Passagiere bemerkte. »Das Istanbul. Du hupen, du fahren,
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