Assassino
um sich herum in ihren Bann geschlagen hat, denn wer würde einer Frau freiwillig eine solche Macht übertragen?
»Wir haben Nachforschungen angestellt«, empfängt sie mich. »Du kommst aus Alamut. Dein Auftrag lautet, mich zu töten. Mehr weißt du selbst nicht, denn deine Herren geben ihren Hunden keine Auskunft.«
Ich starre sie schweigend an. Was soll ich darauf erwidern?
»Ich kann dich nicht laufen lassen«, fährt sie fort. »Nach allem, was ich über euch Assassinen weiß, würdest du aus deinen Fehlern lernen und es erneut versuchen. Denn Wesen wie du sind nicht gewohnt, frei zu denken. Wie Hunde führt ihr die Befehle eurer Meister aus, bis der Tod euch ereilt.«
»Worauf wartest du dann? Töte mich«, zische ich.
»Oh nein.« Ihre Augen funkeln. »Der Tod wäre ein zu einfacher Ausweg für dich. Ich werde dir das Leben schenken. Das
ewige
Leben.«
»Und das soll eine Bestrafung sein?« Ich lache höhnisch.
Sie tritt dicht an mich heran, sodass ich ihren Atem spüren kann, der nach Vanille und Aprikose duftet. Auf eine Handbewegung von ihr eilt der Hofmagier an ihre Seite und legt ihr etwas in die ausgestreckte Hand. Sie hebt es empor, damitich es besser sehen kann. Es ist ein Lederband, an dem ein silberner Anhänger baumelt.
»Dieses Amulett wird dich für alle Zeiten mit mir verbinden«, lächelt sie kalt. »Wenn ich zurückkomme, wirst auch du auferstehen. Immer wieder wirst du den Schmerz des Todes spüren und immer wieder wirst du von vorn beginnen. Dein Leben wird eine Wüste sein, und bevor du die Zeit gefunden hast, die rettende Oase zu erreichen, wird mein Wort dich erneut in die Dunkelheit zurückstoßen.«
Sie hebt die Arme und legt mir das Amulett um den Hals. Das Metall fühlt sich warm auf meiner Haut an. »Da du so ein großer Krieger bist, wirst du ab jetzt für mich und mein Land kämpfen«, sagt sie. »Und wenn du deine Arbeit gut machst, dann entscheide ich mich vielleicht irgendwann, dich von deinem Schicksal zu erlösen.«
Sie macht einen kleinen Schritt zurück. Wenn sie mir mit ihren Worten Angst einjagen will, so ist ihr das nicht gelungen.
»Wenn dein Fluch in diesem Amulett steckt, was soll mich dann daran hindern, es zu entfernen?«, frage ich.
»Nur zu«, erwidert sie unbewegt. »Du kannst es gerne sofort ausprobieren.«
Das kommt mir zu schnell. Warum soll sie mir einen Fluch verpassen und direkt danach damit einverstanden sein, wenn ich ihn entferne? Langsam hebe ich meine Hände und ergreife die Lederschnur an beiden Seiten. In dem Augenblick, als ich das Band anheben will, um es über den Kopf zu streifen, verspüre ich einen brennenden Schmerz auf der Brust. Mit einem lauten Schrei lasse ich meine Hände fallen.
Sofort lässt das Brennen nach und es bleibt nichts als ein qualvolles Pochen zurück. Ich beiße die Zähne zusammen, denn ich will Tamar meinen Schmerz nicht zeigen.
»Nun weißt du, was passiert, wenn du dich mir widersetzt«, sagt sie.
Trotzig starre ich in ihre unergründlichen Augen. »Was verlangst du von mir?«
»Ich verlange nichts. Ich befehle.« Sie tritt ans Fenster, von dem aus man über die Dächer der Altstadt von Tiflis hinweg bis zu der fernen Bergkette blicken kann. »Meine Aufgabe ist es, meinem Land zu dienen. Aber meine Feinde werden alles daransetzen, das zu verhindern. Du bist die Garantie für meinen Sieg.« Sie dreht sich zu mir um. »Ist das nicht seltsam? Du wurdest ausgeschickt, um Georgien zu schwächen, und nun wirst du es sein, der mein Land verteidigt.«
Sie wendet sich ihrem Haushofmeister zu. »Kleidet ihn an und bringt ihn dann in den Dunklen Saal. Und Ihr, Magier, bereitet alles vor.«
»Jawohl, Hoheit«, nicken die beiden und lassen Tamar, ihren Leibwächter und mich zurück. Der Mann steht wenige Meter von mir entfernt, die Hand am Säbel. Ich überlege, ob es mir wohl gelingen könnte, ihn zu entwaffnen und meinen Auftrag doch noch zu erfüllen, aber die Königin muss das Blitzen in meinen Augen bemerkt haben.
»Versuch es gar nicht erst«, sagt sie. »Bevor du einen Schritt gemacht hast, wird das Amulett dich zu Boden werfen, denn seine oberste Aufgabe besteht darin, mich zu schützen.«
Wenig später kehrt der Haushofmeister zurück. Er bringt mir eine Hose, ein Hemd, eine Weste und ein Paar Sandalen.Als ich sie angezogen habe, geleiten sie mich nach unten, bis wir erneut unter der Erde sind. Nur steigen wir diesmal nicht bis zu den Kerkern hinab, sondern betreten einen kleinen Saal, dessen Steinwände
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