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Assassino

Assassino

Titel: Assassino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Freundes Navid.«
    »Werden wir uns wiedersehen?«, fragte Ilyas, als er vor der Tür stand.
    »Wenn du willst. Du bist bei mir jederzeit willkommen.«
    »Ich danke Ihnen.« Ilyas verneigte sich. Er stand noch da, als sich die Tür bereits geschlossen hatte.
    2.
    Ilyas wanderte durch das Viertel, in dem Guégens Praxis lag, um seine Gedanken zu ordnen und zu einem Entschluss zu kommen.
    Eines stand fest: Martin Bergman hatte eine ganz andere Geschichte erzählt als der Psychiater. Er hatte nicht gelogen, aber die wesentlichen Passagen einfach weggelassen. Wer soeine Vergangenheit hatte, der musste sich nicht wundern, wenn ihm jemand nach dem Leben trachtete.
    Sollte er dem Mann trotzdem helfen und die Bruderschaft verraten? Er war Katis Vater, und wenn ihm etwas zustieß, würde sie darunter leiden. Das wollte er auf keinen Fall.
    Aber Bergman war ebenso wenig ein guter Mensch wie die Brüder. Wie konnte er da eine Entscheidung für die eine oder die andere Seite treffen? Und musste er das überhaupt? Katis Vater hatte seine Leibwächter, und er, Ilyas, würde die Augen offen halten. Die Assassinen wussten nicht, dass er zu Bergmans Gesellschaft zählte. Er würde sie also frühzeitig entdecken und einschreiten können. Er nickte vor sich hin. Das schien ihm ein guter Entschluss zu sein.
    »Ilyas!«
    Er drehte sich um. Die Gasse, in der er sich befand, wurde von Lagerhäusern gesäumt und es waren nur wenige Passanten in der Nähe.
    »Ilyas!«
    Die Stimme klang sanft, schmeichelnd, als ob ihre Besitzerin direkt neben ihm stehen würde.
    Und er kannte sie.
    Die Zauberin!
    Er drehte sich einmal um sich selbst, konnte die Frau aber nicht entdecken. Aus einer Toreinfahrt kamen drei Männer in blauer Arbeitskleidung, die sich in entgegengesetzter Richtung entfernten.
    »Ilyas!«
    Verwirrt blieb er stehen. Er suchte die Gebäudefronten zu beiden Seiten ab, aber da gab es keine geöffneten Fenster,sondern lediglich Mauern und verschmutzte Glasscheiben, die wahrscheinlich seit Generationen nicht mehr gesäubert worden waren.
    »Ilyas!«
    Die Stimme war in seinem Kopf!
    Was für eine Teufelei war das? Und wie sollte man jemandem antworten, der überhaupt nicht anwesend war?
    »Ilyas! Ich brauche dich.«
    Er presste die Fäuste gegen die Stirn. Nahm das denn nie ein Ende? Reichte es nicht, dass er sein Gedächtnis verloren hatte und in einer fremden Zeit lebte? Hörte er jetzt auch noch Stimmen, so wie damals Mehdi, der Dorftrottel, den er und seine Freunde so gern verspotteten   …
    Mehdi?
    Seine Freunde?
    Einen Augenblick setzte sein Herzschlag aus. Dann begann sein Herz umso heftiger zu rasen.
    Er erinnerte sich.
    Wie eine Flutwelle stürzte es auf ihn ein, riss ihn mit sich, ließ ihn schwindlig werden.
    Er taumelte und stützte sich an der Hauswand ab.
    Er war Ilyas!
    Er war der Junge, den Dai Ibrahim mitgenommen hatte aus seinem kleinen Dorf nach Alamut, wo er zu einem Fedajin ausgebildet worden war.
    Wie Blitzschläge zuckte es durch sein Gehirn. Gesichter tauchten auf und verschwanden sofort wieder, Spielkameraden, Lehrer, Mitkämpfer, Opfer.
    Opfer!
    Er wusste, wer ihn rief. Und warum die Stimme nur in seinem Kopf war.
    Tamar! Die Königin von Georgien. Die Hexe.
    Langsam stieß er sich von der Mauer ab. Die Stimme war verstummt. Sie hatte ihren Zweck erfüllt. Er würde sich nicht widersetzen können. Wenn sie ihn rief, musste er kommen. Den Weg wies ihm sein Gefühl. Er hatte vielleicht einen, höchstens zwei Tage Zeit, dann würde er zu ihr gehen müssen.
    Sie war hier irgendwo in der Nähe, das spürte er. Ob sie ihm folgte oder er ihr, darüber hatte er schon mehrfach gerätselt. Ihre letzte Begegnung hatte auf der Krim stattgefunden, kurz vor dem Angriff der Leichten Brigade. Da war er bereits mehrere Wochen in Diensten eines Offiziers gewesen und hatte die englische Sprache erlernt. War es ein Zufall, dass sein Auftrag genau darin bestand, seinen Herrn zu töten? Konnte Tamar sein Schicksal Wochen, bevor sie selbst in Erscheinung trat, lenken?
    Und wie konnte er der Macht, die sie über ihn hatte, entkommen?
    Viele Jahre hatte er dem Imam bedingungslos gehorcht, war ein willenloses Werkzeug gewesen. Und genau in dem Moment, als seine Zweifel stärker wurden und er beschlossen hatte, selbst die Kontrolle über sein Leben zu übernehmen, war er in Tamars Hände gefallen, die ihn erneut zu einem Werkzeug gemacht hatte.
    Zum ersten Mal in seinem Leben war er in den letzten Tagen wirklich frei gewesen. Niemand

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