Assassino
Widerwillig nahm er die Drahtrolle auf und wendete sich seinem Komplizen zu.
Kati sah eine Bewegung, und die Drahtrolle flog auf sie zu. Sie duckte sich und riss automatisch schützend die Arme vors Gesicht. Das nutzten die beiden Männer, um sich auf sie zu stürzen.
Kati zog die Maschinenpistole herab. Ihr Finger krümmte sich um den Abzug, und sie zog ihn durch, ohne groß nachzudenken. Einer ihrer Angreifer brach mitten im Lauf mit einem Schrei zusammen und sein Komplize blieb wie angewurzelt stehen.
Kati zitterte am ganzen Leib. Was hatte sie getan? Sie hatte auf einen Menschen geschossen! Aber was hätte sie sonst tunsollen? Die Männer befanden sich nur noch zwei Meter von ihr entfernt und hätten sie beinahe erwischt. Schnell machte sie ein paar Schritte zurück.
»Fesseln!«, schrie sie den unverletzten Mann an und fuchtelte so wild mit der MP herum, dass er sich ängstlich duckte. Sie stieß die Drahtrolle mit dem Fuß zu ihm hinüber.
Er gehorchte sofort. Der Verwundete unterdrückte ein Wimmern. Er starrte mit zusammengebissenen Zähnen auf den Blutfleck, der sich auf seiner Hose ausbreitete. Kati war erleichtert, dass sie ihn nicht schwerer verletzt oder gar getötet hatte. Sein Komplize richtete ihn auf und band ihm die Handgelenke mit dem Draht hinter dem Rücken zusammen. Kati ging in großem Bogen um die beiden herum und überzeugte sich davon, dass der Verletzte sicher gefesselt war. Dann deutete sie auf den Bolzenschneider.
Der Mann nahm ihn auf. Kati hielt genügend Abstand zu ihm. »Die Arme nach vorn ausgestreckt!«, befahl sie.
Wenig später waren ihre Freunde frei. Ilyas riss dem Mann sofort das Werkzeug aus der Hand, während Paola ihn zu seinem Komplizen stieß und ebenfalls fesselte.
Katis Beine begannen zu zittern, erst langsam, dann immer stärker. Das Blut wich ihr aus dem Kopf. Mit letzter Kraft hielt sie Paola die Maschinenpistole hin.
Dann brach sie zusammen.
Ein Verräter
1.
Als Kati aus ihrer kurzen Ohnmacht erwachte, lag sie auf dem Rücksitz des Mercedes. Ilyas und Paola waren damit beschäftigt gewesen, das Auto fahruntüchtig zu machen und die Waffen und Handys der Entführer zu zerstören. Während Kati sich benommen aufrichtete, wandten sie sich soeben den beiden Männern zu, die noch immer vor der Dampfwalze am Boden lagen. Ilyas hatte sich sein Messer wiederbeschafft und hielt es in der Hand.
»Halt«, rief Kati mit matter Stimme und zog sich an der geöffneten Wagentür auf die Beine. »Wir lassen sie am Leben.«
Zwei zerschundene Gesichter drehten sich zu ihr um, und für den Bruchteil einer Sekunde erschienen sie Kati wie ein Zwillingspaar, zwei wilde Tiere, die nur von ihrem Instinkt geleitet wurden und außer dem Recht des Stärkeren keine anderen Gesetze akzeptierten.
Sie sind sich so ähnlich
, schoss es ihr erneut durch den Kopf.
»Wir können sie nicht laufen lassen«, sagte Paola. »Oder willst du, dass sie es noch mal versuchen?«
»Ich will sie der Polizei übergeben«, erwiderte Kati und bemühte sich, bestimmt zu klingen. »Dann haben die ihre Täter und lassen uns in Ruhe.«
»Sie werden wiederkommen«, sagte Ilyas. »Sie gehören zur Bruderschaft, und die Bruderschaft vergisst nicht.«
Von was für einer
Bruderschaft
redete er da? Kati war zu schwach, um darüber weiter nachzudenken. Sie wollte nur so schnell wie möglich hier weg und zurück zu ihren Freunden.
»Das ist mir egal. Wir rufen die Polizei.«
Widerwillig prüften Paola und Ilyas noch einmal die Fesseln der Entführer. Der verletzte Mann blutete immer noch. Kati versuchte, sein Hosenbein zu zerreißen, besaß aber nicht die Kraft dazu. Ilyas drängte sie sanft beiseite, riss einen Streifen Stoff ab und verband damit notdürftig die Wunde. Dann verließen die drei das Gebäude durch den Keller.
»Du hast Talent«, sagte Paola zu Kati, als sie aus dem Schuppen traten. »Hast du schon mal eine MP benutzt?«
»Reines Anfängerglück«, erwiderte Kati. »Ihr könnt froh sein, dass ich keinen von euch erwischt habe.«
»Wir verdanken dir unser Leben. Ich bin froh, dass du nicht auf mich gehört hast und im Auto geblieben bist.«
Kati warf einen Blick auf Ilyas, konnte sein Gesicht in der Dunkelheit aber nur als Umriss erkennen. Was hatte er sie niedergemacht, weil sie sich in Dubrovnik nicht an seine Anweisungen gehalten hatte! Wie er jetzt wohl dazu stand? Aber er lief nur schweigend neben ihr über die Wiese.
Sie fuhren mit dem Mini bis zum Ende der Straße, wo Paola mit Mühe
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